Die Jagd Dänemark 2012 – 111min.

Filmkritik

Hexenjagd auf einen Kindergärtner

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Zur Weltpremiere beim Festival von Cannes sorgte Jagten, der neue Film von Ex-Dogma-Vorreiter Thomas Vinterberg, für jede Menge Gesprächsstoff. Zum einen, weil dem Thema Kindesmissbrauch immer ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit gewiss ist. Aber zum anderen auch, weil der dänische Regisseur - anders als Michael oder demnächst die Kampusch-Fall-Verfilmung 3096 - einen zu Unrecht Verdächtigten ins Zentrum seiner Geschichte stellt.

Dass der Kindergärtner Lucas (Mads Mikkelsen) unschuldig ist, daran lässt Jagten keinen einzigen Moment lang zweifeln. Zwar hat die kleine Klara (Annika Wedderkopp, ein bemerkenswertes Filmkind), ausgerechnet die Tochter seines besten Freundes Theo (Thomas Bo Larsen), der Kindergarten-Chefin gegenüber erschreckende Beschuldigungen geäußert.

Doch der Zuschauer kennt die Gründe dafür: die Enttäuschung darüber, dass Lucas ihrem kindlichen Schwärmen Grenzen gesetzt hat; die Verwirrung angesichts der Pornobilder, die sie auf dem Laptop ihres großen Bruders gesehen hat. Als sie wenige Tage später ihre Lüge eingesteht, hört allerdings schon längst niemand mehr zu. Stattdessen bricht in der Kleinstadt eine Hysterie aus, die Lucas nicht nur seinen Job und fast den gesamten Freundeskreis kostet, sondern auch den nach einer schlimmen Scheidung gerade begonnenen Neuanfang samt Sohn und neuer Freundin gefährdet.

Ehrlich erschüttert sieht man mit an, mit welch zwingender Plausibilität Vinterberg sein Szenario entfaltet. Ein unbedachter Satz, einige übereilte Aktionen - und schon ist das Leben eines Mannes zerstört, bevor er überhaupt selbst nach der Wahrheit gefragt wurde. Inszeniert und geschrieben hat Vinterberg (der für sein Drehbuch mit dem Europäischen Filmpreis bedacht wurde) dieses Drama über die Maßen eindringlich, in manchen Momenten sogar spannend wie ein Thriller. Die Gefahr der Verharmlosung besteht aber für keinen Moment: daran, dass jeder in Richtung Kindesmissbrauch gehende Vorwurf oder Verdacht erst einmal ernst genommen werden muss, lässt auch Jagten keinen Zweifel.

Kein Wunder also, dass sich die Gespräche über den Film an der Croisette bald auf einen anderen Aspekt verlagerten. Mads Mikkelsen nämlich spielt hier in der Hauptrolle geradezu um sein Leben. Dass dieser Mann - ohne Frage Dänemarks größter Kinostar - viel kann, wusste man schon lange. Doch derart verletzlich und emotional intensiv hat man ihn noch selten gesehen. Hoch verdient wurde er in Cannes dafür als Bester Darsteller ausgezeichnet, denn wer Jagten gesehen hat, wird sein Spiel so schnell nicht vergessen. Genauso wenig übrigens wie das Ende des Films, über das an dieser Stelle allerdings nichts verraten werden soll.

12.02.2013

5

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Kommentare

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dulik

vor 6 Jahren Exzellent

Packendes und mitreissendes Drama, bei dem man sich sehr gut in die missliche Lage der Hauptfigur hineinversetzen kann. Auf beängstigende, aber sehr glaubwürdige Art und Weise, wird vermittelt, wie schnell sich ein Gerücht verbreiten kann und welch dramatische folgen daraus resultieren können. Auch wie man von der Gesellschaft voreilig verurteilt wird, nur weil diese glaubt, was sie glauben will, wird eindrücklich aufgezeigt. "Die Jagd" spricht dabei das sehr heikle Thema des sexuellen Missbrauchs an Kindern an.
9/10Mehr anzeigen


Janissli

vor 7 Jahren

Die Geschichte macht einem fast wahnsinnig. Die Machtlosigkeit gegenüber einer solchen Anschuldigung ist beängstigend. Der Film somit fesselnd.


Patrick

vor 7 Jahren

Beklemmendes Drama, das von den Darstellern grandios gespielt ist, nur das Filmende kommt fraglich daher.


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