De rouille et d'os Belgien, Frankreich 2012 – 120min.

Filmkritik

Vom Bumsen und Lieben

Filmkritik: Andrea Wildt

Es braucht Zeit bis die zwei Protagonisten in De rouille et d'os zueinander finden, bis die Worte "Ich liebe dich" ausgesprochen werden. Nahezu zwei Stunden. Zwei Stunden atemberaubende Filmleidenschaft, brutal und tiefgehend.

Der neue Film von Jacques Audiard erinnert an einen seiner Vorgänger Sur mes lèvres (2001): Nach einem Unfall im Delfinarium gehbehindert sucht die Orcawal-Dresseurin Stephanie (Marion Cotillard) neuen Lebensmut bei Ali (Matthias Schoenaerts), einem Gelegenheitsboxer, der mit seinem fünfjährigen Sohn bei der Schwester an der Côte d'Azur untergekommen ist. Abermals eine durch ihr physisches Handikap vereinsamte Frau, die im Verlauf des Films über sich und ihr Schicksal hinauswächst.

Was wie ein sentimentales Liebesdrama beginnt, verblüfft sogleich durch seine mitleidslose Direktheit. Das Leiden von Stephanie hemmt Ali nicht, ihre Freundschaft entwickelt sich unvermittelt und ehrlich auf der schönen Seite des Lebens: Sonne, Meer und Sex. Zwei amputierte Beine stehen dem nicht im Weg. Später wird sie seine Managerin und handelt knallhart die Wetten für seine Schlägereien aus.

Jacques Audiards Filme sind vor allem physisches Kino. Auch in De rouille et d'os wird viel geredet, doch das Wesentliche wird über den Körper regelrecht ausgedrückt: Schlägereien, triebhafte Kopulationen oder sehnsuchtsvolle Blicke erzählen von Verlangen, Unfähigkeit und dem Leiden seiner Figuren. Ali befriedigt viele Frauen, körperlich ist er gut darin, aber wenn es um Zärtlichkeit und Worte geht, hat er erst nur Verweigerung parat. Ficken wie boxen: Er betreibt es mit Kraft und aus Spass. Erst mit dem Verlust seines Sohnes konfrontiert, erhalten seine Schläge zum ersten Mal Gefühl: Verzweiflung und Verletzbarkeit. Sie brechen auf der männlichen Seite erst am Ende durch, eine Erlösung.

De rouille et d'os bietet alle Materien aus dem filmischen Universum des französischen Regisseurs und Drehbuchautors Jacques Audiards: Vater-Sohn-Beziehung, Doppeldeutigkeit der Protagonisten, Schlägereien und viel Unausgesprochenes. Virtuos presst er diese Zutaten inspiriert von den Kurzgeschichten des Kanadiers Craig Davidson durch den Genremixer, mischt eine Portion Humor und indirekte Gesellschaftskritik unter. Das Ergebnis getragen von der eindrucksvollen Leistung der Schauspieler überträgt sich vor allem körperlich: k.o. in jeder Runde.

18.10.2012

5

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Kommentare

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julianne

vor 8 Jahren

Ein Wahnsinn von A-Z die 2 sind Weltklasse Marion cotillard was für eine Frau so schön und so ein Talent👍 👍 👍 👍 👍 😱 😱


Barbarum

vor 10 Jahren

Intensiv, aber zum Schluss in der Achterbahn der Gefühle beinahe etwas übertrieben. Trotzdem vor allem wegen der Schauspielleistungen nur zu empfehlen.


Tatschi82

vor 11 Jahren

Toller Film! Erschreckend real, ohne Kitsch und Klimbim, grandios gespielt! Eine Perle!


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