Amour Österreich, Frankreich, Deutschland 2012 – 125min.

Filmkritik

Sein zum Tode

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Ein alter Mann pflegt seine schwer kranke Frau zu Hause. Das grossartige Kammerspiel von Oscar-Gewinner Michael Haneke wurde dieses Jahr in Cannes mit der "Goldenen Palme" ausgezeichnet.

"Bring mich nie wieder in ein Krankenhaus", bittet Anne ihren Mann George inständig. Und so pflegt der über 80-Jährige seine gleichaltrige Frau fortan zuhause in der gediegenen Pariser Altbauwohnung. Von den ersten Symptomen bis zum in der Eröffnungsszene vorweggenommenen Ende folgt Michael Haneke der Demenzerkrankung seiner Protagonistin. Mehr Handlung benötigt er nicht, und eigentlich auch kaum mehr Personal. Die gemeinsame Tochter (Isabelle Huppert) kommt mal aus London, um nach dem Rechten zu sehen. Ein einstiger Klavierschüler (Alexandre Tharaud) stattet einen Besuch ab. Der Hausmeister und seine Frau helfen mit den Einkäufen, mitunter ist Pflegepersonal anwesend, das allerdings nicht immer Georges Ansprüchen genügt. Einen Auftritt, den man so schnell nicht vergessen wird, hat eine zum Fenster hereingeflogene Taube.

Doch eigentlich gehört dieser Film voll und ganz Anne und George. Emmanuelle Riva und Jean-Louis Trintignant spielen dieses Ehepaar im letzten Lebensviertel. Zwei Legenden des französischen Kinos, die in ihren langen Karrieren kaum je eine Rolle mit größerer Intensität und Hingabe gespielt haben dürften. Riva und Trintignant gehen körperlich wie emotional an die Grenzen dessen, was man gewöhnlich auf der Leinwand sieht, und verleihen Amour damit eine beinahe dokumentarische Intensität.

Auch Hanekes minimalistischer Inszenierungsansatz trägt zu diesem Eindruck bei. Amour ist ein Kammerspiel, das die Wohnung von Anne und George nie verlässt. Wie fast immer bei dem Österreicher ist das gehobene Bildungsbürgertum das Milieu seiner Wahl: Materielle Sorgen und daran gekoppelte Existenzängste sollen nicht ablenken vom Kern dessen, wovon er in seinem elften Kinofilm, der in Cannes dieses Jahr vollkommen zurecht mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde und für Österreich ins Oscar-Rennen gehen wird, erzählen will.

Wie in so vielen seiner Filme beobachtet Haneke gnadenlos, konsequent, mit großer Ruhe und vermeintlich emotionslos, wie der Tod erst schleichend und schließlich eruptiv Einzug hält in diese Welt. Und doch unterscheidet sich sein neuer Film von seinen Vorgängern. Denn nicht das Böse, nicht die finsteren menschlichen Abgründe, sondern die Titel gebende Liebe ist es, die dabei in all ihrer Kraft stets spürbar im Raum steht. Ganz ohne jeglichen Kitsch oder aufgesetzte Dramatik überwältigt Amour den Zuschauer in einer an die Nieren gehenden Eindringlichkeit, die keine musikalisch unterfütterte Rührseligkeit à la Hollywood je hätte hervorrufen können. Ein Meisterwerk.

25.09.2012

5

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Kommentare

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dulik

vor 5 Jahren

Ein sehr ergreiffendes Drama über ein älteres Ehepaar, welches mit einem tragischen Schicksalsschlag umgehen muss und was es bedeutet, in schweren Zeiten füreinander da zu sein. "Amour" überzeugt mit starken Dialogen und einer darart authentischen Art und Weise, dass das Gesehene teilweise kaum zu ertragen ist. Nach diesem Film weiss man definitiv, welchen Stellenwert die Gesundheit hat.
8/10Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 9 Jahren

bewegend und berührend!!!


ElizeH

vor 10 Jahren

magnifique film, très touchant. Par contre certains dialogues sembles trop artificiels et écrits - mais Trintignant est incroyable et Emmanuelle Riva est une vieille femme très élégante et très bonne sur le déclin.


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