CH.FILM

Unter Wasser atmen - Das zweite Leben des Dr. Nils Jent Schweiz 2011 – 87min.

Filmkritik

Der Auferstandene

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Nils Jent verunfallte mit dem Motorrad und erwachte gelähmt und blind. Sein Weg zurück ins Leben zeugt von ungeheurem Lebenswillen. Stefan Muggli und Andri Hinnen haben sich des Mannes angenommen, der in seinem eigenen Körper gefangen ist. Ein beeindruckendes Dokument.

Ein hyperaktiver Knabe - man erkennt es an den wagemutigen Sprüngen ins Meer, aber auch beim Hantieren mit Schrauben. Nils, Jahrgang 1962, spielte von 14 bis 18 Jahren in verschiedenen Bands. Und dann die Tour mit Freunden. Er ist auf dem Motorrad nachts unterwegs, die Freunde verlieren ihn aus den Augen. Er ist von der Strasse abgekommen, liegt stundenlang in einer Unterführung - und dann vier Wochen im Koma. Er überlebt, aber gelähmt, blind, sprachlos. So beginnt der Dokumentarfilm von Stefan Muggli und Andri Hinnen.

Es ist ein langer beschwerlicher Weg zurück ins Leben für einen Menschen, der in seinem Körper gefangen ist und dem neben dem behinderten Körper nur der klare Kopf geblieben ist. Mit ungeheurer Willensanstrengung - gegen alle Widerstände und "Vernunft" - erarbeitet sich Nils ein Stück eigenes, sinnvolles Leben zurück. Er macht die Matura, studiert in St. Gallen und promoviert. In seinen Eltern Hélène und Cuno Jent findet er starke Verbündete, Zudiener, Supporter. Andere verständige Spezialisten und Akademiker begleiten ihn, stützen ihn, vertrauen ihm.

Der Kopfarbeiter mit der grossen Zuneigung zu Schildkröten, die er sammelt und in denen er Symbole der Langsamkeit des Lebens sieht, versucht seine körperlichen Handikaps im Teamwork zu kompensieren. Seine Forderung lautet: "Arbeitskräfte mit und ohne Behinderung müssen zusammenarbeiten." Zusammen mit dem Fernsehmann Röbi Koller hat er seine Autobiografie geschrieben: "Dr. Nils Jent - Ein Leben am Limit". Der bewegende, sehr intime Film ist nicht nur das packende Porträt eines Menschen, der ungebrochen Schicksalsschläge, so einen spätere Hirnblutung, und seine Ängste überwindet, sondern auch beherzt für Integration statt Ausgrenzung von behinderten Mitmenschen kämpft. Er plädiert für Solidarität, Förderung und Anerkennung der Benachteiligten, die wie er selbst zum Gewinn der Gesellschaft werden könnten. Dr. Nils Jent lehrt heute im Bereich Diversity Management an der Universität St. Gallen, über Chancengleichheit, die Vielfältigkeit der Menschen und die Wertschätzung von Minderheiten, Diskriminierten und Benachteiligten.

Der starke Film steht nicht allein in der Schweizer Dokumentarfilmlandschaft. Andere brechen ebenfalls eine Lanze für Behinderte: Man denke in jüngster Zeit etwa an Silvia Häselbarths Drei Brüder, Rolf Lyssys Ursula - Leben in Anderswo oder Dieter Gränichers Das Gehörlosendorf.

06.06.2012

4

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Kommentare

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selinaburri

vor 11 Jahren

sehr sehr berührend. wunderbar.


Gelöschter Nutzer

vor 11 Jahren

Komischer Film.. Gefällt mir nicht!!


Taz

vor 11 Jahren

Top!


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