CH.FILM

The Substance: Albert Hofmann's LSD Schweiz 2011 – 89min.

Filmkritik

Pillen statt Pilze

Filmkritik: Eduard Ulrich

Als Albert Hofmann 2008 im Alter von 102 Jahren starb, hatte sein "Sorgenkind", wie er LSD selbst einmal taufte, gerade etwas Boden gutgemacht, weil es wieder in der Psychotherapie eingesetzt werden durfte. Die wechselhafte Geschichte dieser faszinierenden Droge zeichnet Martin Wirz in seiner präzisen Dokumentation nach und er kann mit einigen Originalaufnahmen auftrumpfen, welche einen wohltuenden Kontrast zur konventionellen Machart seines Films bilden.

Albert Hofmann wurde 1906 in Baden geboren, studierte Chemie, entdeckte 1943 zufällig LSD, konnte später als erster Psilocybin isolieren und starb 2008 in Burg. Im Zentrum des Films steht allerdings nicht der Entdecker, auch wenn seine Biografie und seine Ansichten angemessen präsentiert werden, sondern die Wirkung der Substanz auf Individuen und Industriegesellschaften. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass gerade diese westlichen Gesellschaften sowohl die höchsten Drogenkonsumraten aufweisen, als auch die größten Regelungsprobleme damit haben, denn ein Stoff wie LSD, der Erlebnisse ermöglicht, die das Bewusstsein in einer Weise verändern, dass sich sein Träger nicht mehr den üblichen Zwängen unterwerfen will, kann als sozialer Sprengstoff klassifiziert werden. Sicher kein Zufall ist es, dass dieser Stoff gerade zur Zeit der Anti-Vietnamkriegsdemonstrationen seine Blütezeit erlebte, als die sogenannten Hippies alternative Lebensweisen mit möglichst wenig Zwang erprobten.

Dieses Seilziehen zwischen den selbsternannten oder gewählten Ordnungshütern auf der einen und den Wissenschaftlern und Selbsterfahrungsenthusiasten auf der anderen Seite zeigt der Film eindrucksvoll. Aus der zeitlichen Distanz betrachtet scheint dieser Machtkampf gerade der Rote Faden im Umgang des Westens mit Drogen zu sein. Wenn wir Ikonen der damaligen Zeit wie Drogenpapst Timothy Leary in einer der vielen Archivmaterialeinspielungen auftreten sehen oder von den Versuchen der CIA erfahren, LSD als Willensvernichtungsmittel einzusetzen, wirkt das fremd und ewig her zu sein. Denn heutzutage lassen sich viele Drogen problemlos beschaffen, und generell sind sie ein fester Bestandteil der Konsumgesellschaften geworden.

So wirken die Fehlfarbsequenzen als Verdeutlichung eines LSD-Rauschzustandes nicht nur antiquiert, sie wären eigentlich nicht einmal nötig. Schön wär es gewesen, wenn mehr Gewicht auf die aktuelle Relevanz und die Zukunftsaussichten dieser Schweizer Entdeckung gelegt worden wäre. Dass man aber trotzdem jederzeit gerne zusieht, ist auch dem tadellosen Handwerk von Kamermann Pio Corradi zu verdanken.

15.12.2011

4

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Kommentare

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Urs23

vor 9 Jahren

Spannende und lehrreiche Dokumentation über die Hippiedroge LSD


elwerder

vor 12 Jahren

gut gemacht und informativ


leguana

vor 12 Jahren

Schwieriges Thema sehr gut angegangen. Diverse Aspekte eingebracht.


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