CH.FILM

Mary & Johnny Schweiz 2011 – 79min.

Filmkritik

Verliebt, verführt, verloren

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Zürich im WM-Fieber 2010 und in "Zürifäscht"-Ekstase: Zwei Seelen haben sich gefunden und verlieren sich. Das dunkle Liebesdrama von Samuel Schwarz und Julian M. Grünthal, inspiriert von Ödön von Horváths Volksstück "Kasimir und Karoline", lebt von seiner ungeschliffenen Spontaneität, der authentischen Atmosphäre und einer starken Ex-Miss Schweiz.

Die Boxen dröhnen, der Alkohol fliesst in Strömen rund ums Bellevue, entlang des Zürichsees und der Limmat. Die Fussball-WM steuert aufs Finale zu. Das "Zürifäscht" sorgt obendrein für Chilbi-Rummel und Partystimmung. In einer Nacht durchleben die Verliebten Johnny (Philippe Graber) und Mary (Nadine Vinzens) Himmel und Höllen im Schnellzugstempo. Der just entlassene Musiker ist nicht in Partylaune und zerstreitet sich mit Mary, die einfach Spass haben will. Johnny trifft den Knastbruder Mischa (Marcus Signer) mit seiner Freundin Fränzi (Gina Gurtner) im Schlepptau, die freilich beim Grobian viel einstecken muss. Man zieht durch die Nacht, durch Zelte und Schänken. Mary hängt sich an den undurchsichtigen Psychopathen Hostettler (Nils Althaus). Dazu gesellt sich der schmierige Fussballmanager Sepp Rauch (Andrea Zogg). Die verliebten Getrennten treffen sich wieder. Der Morgen graut.

Der Kleinkriminelle Mischa erzählt aus dem Knast heraus, erinnert sich und tönt so etwas wie eine Fortsetzung an, die sich das Regie-Duo Samuel Schwarz und Julian Grünthal durchaus vorstellen können. Der Berner Schwarz und der Freiburger Grünthal haben in Nacht-und-Nebel-Aktionen während der Fussball-WM und am Züri Fäscht 2010 nächtelang gedreht. Ein Husarenstück und "Piratenfilm", was die Produktionsbedingungen angeht. Die gängigen Förderer (Bund, Kanton, Fernsehen) verweigerten sich dem Projekt. Nicht nur die authentische Atmosphäre und dokumentarische Dichte tragen dazu bei, dass dieser düstere Streifzug zwischen Suff, Spass und Schmerz in der Schweizer Filmlandschaft hervorsticht, Einen guten Teil zum gelungenen Debütfilm leistete das Schauspielerensemble, überraschend vor allem Ex-Miss-Schweiz Nadine Vinzens als verlorene Seele Mary. Sie überzeugt.

Das Zürcher Prolodrama lehnt sich nur punktuell an Horvaths "Kasimir und Karoline" an (Motto: "Und die Liebe höret nimmer auf"). Mary & Johnny kommt hart, grobschlächtig, schmutzig daher und wirkt sehr realistisch. Kein Wiener Schmäh, da wird nichts in Zuckerwatte gepackt. Und doch haben die Figuren einiges mit Horváths Gestalten gemeinsam: die Suche nach Glück und etwas Glamour, der Hang zum Absturz und der Glaube an Hoffnungen. Die Welt ist aggressiv, Zweisamkeit und Liebe können daran zerbrechen - genau wie Mary & Johnny.

16.09.2021

4

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Kommentare

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anabah

vor 9 Jahren

Der Beginn finde ich gut und interessant, man möchte wissen, was weiter passiert. Doch je länger der Film dauerte, desto konfuser und abstossender fand ich ihn. Der Schluss ist dann der Gipfel der Tragik. Hat mir dann gar nicht mehr gefallen! Nadine Vinzens spielt ganz gut. Philippe Graber besetzt in allen seinen Filmen ähnliche Rollen. Von ihm wünschte ich mir mehr Spielraum in seinem Schauspiel und seinen Gefühlsregungen (war wahrscheinlich nicht vorgesehen im Drehbuch...).Mehr anzeigen


Schlosstaube

vor 9 Jahren

Mist! Einfach nur Mist!


filmfan4

vor 11 Jahren

gelungener low-budget film mit überraschend überzeugender ex-miss schweiz nadine vinzens.


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