Le Havre Finnland, Frankreich, Deutschland 2011 – 103min.

Filmkritik

Ein Finne in Frankreich

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Aki Kaurismäki hat seine schräge, durchgestaltete Retro-Welt für seinen ersten Film seit fünf Jahren überraschend nach Frankreich verlegt. Eine gute Entscheidung.

Wer an Kaurismäki-Filme denkt, dem kommen schweigende, vom Leben gezeichnete Melancholiker in den Sinn, die in verrauchten Kneipen sitzen, während draußen vor der Tür die finnische Sonne kaum je aufzugehen scheint. Insofern ist Le Havre eine echte Überraschung: es hat den Finnen nach Frankreich verschlagen, wo es nicht nur hell und sonnig, sondern auch geradezu geschwätzig zugeht.

Schuhputzer Marcel Marx (André Wilms), der mit seiner herzensguten, kranken Ehefrau Arletty (Kati Outinen, die "Dauer-Muse" des Finnen) in der Titel gebenden Hafenstadt lebt, entdeckt eines Tages den kleinen afrikanischen Flüchtling Idrissa (Blondin Miguel). Der ist auf einem Containerschiff illegal ins Land gekommen und wird von der Polizei gesucht. Doch der selbst eher mittellose Marcel bietet ihm Unterschlupf und hilft, wo er kann. Kein leichtes Unterfangen, denn Inspektor Monet (Jean-Pierre Darroussin, in bester Jean Gabin-Manier) wird bald auf ihn aufmerksam, und Arletty kommt ins Krankenhaus.

Die Verlegung von Kaurismäkis schräger, nachdenklicher und liebevoller Retro-Welt mit ihren kargen Bars und rot gestrichenen Gartentoren nach Frankreich funktioniert nicht nur erstaunlich reibungslos, sondern scheint den finnischen Regisseur sogar beflügelt zu haben. Denn nach seinem etwas schwächelnden Lights in the Dusk findet er zurück zu ganz großer Form mit einer enorm charmanten Geschichte, die vor kuriosen Gestalten, Kleinod-Momenten (wichtige Rollen dabei spielen eine Ananas und ein gewisser Little Bob) und Edward Hopper-würdigen Bildern nur so strotzt.

Auch die typischen Kaurismäki-Figuren haben den Umzug in den Süden unbeschadet überstanden. Wilms, der als Marcel Max u.a. auch schon bei Kaurismäkis letztem Frankreich-Abstecher La vie de bohème (1992) mit dabei war, gibt unwiderstehlich den schweigsamen Melancholiker, als hätte er nie etwas anderes getan. Nebenbei gelingt dem Regisseur und Drehbuchautor außerdem aber auch das Kunststück, von Hoffnung in der Tristesse zu erzählen und gleichzeitig einen kleinen Beitrag zu aktuellen Flüchtlingsdebatten zu leisten. So märchenhaft, aber eben auch so politisch explizit wie in dieser über die Maßen amüsanten Komödie war Kaurismäki selten.

28.03.2024

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 9 Jahren

Kaurismäki kommt wie immer ohne Effekthascherei aus. Typisch für ihn erinnert die Inszenierung auch an die Ungeschliffenheit der Stummfilmära inklusive stockenden Bewegungen seitens der Darsteller. So oder so ist Kaurismäki nicht für Jedermann. Für einen Einstieg in seine Kunst eignet sich die kleine unspektakuläre Märchenerzählung über das Thema Hoffnung aber allemal.Mehr anzeigen


Ratzepetz

vor 11 Jahren

Voraussehbar, langweilig und clichéhaft.


viennasurfer

vor 11 Jahren

nettter, sympathischer Film


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