CH.FILM

Die Kinder vom Napf Schweiz 2011 – 86min.

Filmkritik

Sympathische Werbung für ein Kinderparadies

Filmkritik: Eduard Ulrich

Wer gedacht hat, um vom Aussterben bedrohte Lebensformen der menschlichen Spezies zu beobachten, müsse man in ferne Ländern reisen, sieht sich hier eines besseren belehrt: Alice Schmid zeigt das Leben der Kinder von Bergbauern im Napf ungeschminkt und eindrücklich, wenn auch dramaturgisch nicht ganz durchgängig.

Der Urbanisierungsgrad lässt sich einfach an der minimalen Reisedistanz zur nächsten Stadt ablesen. Nach diesem Maßstab gilt die Schweiz als eines der höchsturbanisierten Länder, denn selbst im Luzerner Hinterland ist man nach kurzer Fahrt im Luzerner oder sogar Zürcher Ausgang. Im Entlebuch aber gibt es Orte, die nur zu Fuß zu erreichen sind. Im Napf pflegen die Bergbauernfamilien noch eine herkömmliche Lebens- und Arbeitsweise, die nicht einmal medial durchdrungen ist, wenn man den Bildern des Films glauben schenken darf.

Die Kinder dieser Familien sind im doppelten Sinne ein dankbares Sujet: Kinder sind einerseits herzig und originell, andererseits sieht man sehr gut, wie sich archaische Lebensform und moderne Gesellschaft begegnen und die archaischen Werte erodieren. Der Besuch der Primarschule ist Pflicht, der tägliche Schulweg - besonders durch die tiefverschneite Landschaft im Winter bei morgendlicher Finsternis - ein kleines Abenteuer. Die Schule bringt diese in behüteter Abgeschiedenheit lebenden Kinder in Kontakt mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen und thematisiert schon mal die Abnahme der Klassenstärken und Geburtenrate.

Neben den Kindern ist auch die Region ein visuell dankbares Sujet, das elegant genutzt und mit adäquatem Handwerk präsentiert wird. Erwachsene spielen kaum eine Rolle und sind auch kaum zu sehen, Tiere dagegen schon, was nur logisch ist, denn die meisten Kinder legen bei der bäuerlichen Arbeit Hand an und versorgen dabei auch die Nutztiere. Wenn man die Verfassung dieser Kinder mit derjenigen von Stadtkindern vergleicht, fällt einem so manches auf, und man fragt sich wohl unwillkürlich, ob da bewusst ein Kinderparadies vorgeführt wird, um für diese Region zu werben. Darüber und auch über die Zukunfsaussichten dieser Kinder kann man sich in Ruhe Gedanken machen, denn kein Kommentar funkt dazwischen und nur selten entsteht der Eindruck, es wäre inszenatorisch eingegriffen worden. So begleiten wir die kleine Schar durchs ganze Jahr und freuen uns, wenn am Ende alle glücklich zur Weihnachtsfeier in der Kirche versammelt sind.

18.02.2024

4

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Kommentare

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paulob

vor 8 Jahren

dunja 87, ich empfehle dir im Napf Ferien zu machen, aber schon minimum 2Wochen
wünsche dir viel Spass


dunja 87

vor 12 Jahren

nachtrag: die manipulierten szenen in der schule sind so offensichtlich inszeniert, dass man förmlich die filmemacherin spürt, die noch einen baustein für ihren film braucht (z. b. das gespräch über die abwanderung). dokumentarfilm ist manipulation, einverstanden, aber bitte so, dass der zuschauer nicht mitten im film rausgerissen wird, weil er über eine szene wie diese stolpert.Mehr anzeigen


dunja 87

vor 12 Jahren

ein klarer werbefilm. der titel suggeriert, dass es um die kinder geht, doch leider schafft es die filmemacherin nicht, eine tiefe zwischen den kindern und den zuschauern herzustellen, über das jö und härzig kommt der film nicht hinaus. anders als der französische film "Etre et Avoir" der hier augescheinlich als vorbild diente, was die jahreszeiten betrifft. das wars dann aber auch schon, was dramaturgie betrifft, schwächelt der film komplett. ich bin verärgert über diesen film, der die kinder dazu benutzt, ein klischee ans nächste zu reihen, ohne wirklich an ihrem leben interessiert zu sein. weniger ist mehr hätte diesem film gut getan. den musikeinsatz und das sammelsurium an verschiedenen stilen finde ich komisch.Mehr anzeigen


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