Des vents contraires Belgien, Frankreich 2011 – 91min.

Filmkritik

Das Leben muss weitergehen

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Eine Ärztin verschwindet, ihr Ehemann steht mit den Kindern plötzlich alleine da: ungewöhnlich inszeniertes Drama mit Benoît Magimel und Audrey Tautou.

Alles beginnt mit einem sich hochschaukelnden Streit zwischen Eheleuten, dem wenig erfolgreichen Schriftsteller (Benoît Magimel) und seiner gut verdienenden Frau (Audrey Tautou). Daraufhin verschwindet sie. Paul denkt sich erst nichts dabei, doch seine Frau taucht nicht mehr auf, ihr Schicksal bleibt ungeklärt. Ein Jahr vergeht, Paul gilt bei der Polizei weiterhin als verdächtig, und ohne das Einkommen seiner Frau fällt es ihm schwer, die Familie zusammenzuhalten. Er zieht mit den Kindern in seine alte Heimatstadt, doch dort lässt ihn die Vergangenheit erst recht nicht los.

Des vents contraires ist kein leichter Stoff. Seine Hauptfigur trägt buchstäblich die Last dieser Welt auf ihren Schultern. Zumindest aber fühlt es sich für Magimels Figur und den Zuschauer so an. Der Mime liefert die differenzierte, packende, tief berührende Darstellung eines Mannes ab, der mit jedem vergehendem Tag erkennt, dass er sich nicht aus der Verantwortung herausstehlen kann. Seine Frau wird nicht zurückkommen, und er ist ein alleinerziehendes Elternteil, das endlich erwachsen werden muss, auf den Weg dorthin aber noch viel zu lernen hat.

Regisseur Jalil Lespert, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, nutzt Rückblicke, um aufzuzeigen, wie das Leben des Protagonisten war, bevor alles in Scherben lag. Diesen relativ normalen Ansatz des Geschichtenerzählens akzentuiert Lespert. Er wählt eine recht ungewöhnliche Erzählweise, indem er neue Figuren fast aus dem Nichts erscheinen lässt. Und doch haben sie immensen Einfluss auf die Entwicklung des Vaters.

Nicht minder ungewöhnlich ist Lesperts Tendenz, sich widersprechende Hinweise darauf zu geben, was mit der Frau wirklich passiert ist. Er bietet Lösungsvorschläge für dieses Dilemma an, aber er geht nie weit genug, eine Richtung vorzugeben. Lespert deutet an, bleibt dabei aber so subtil, dass zu keinem Zeitpunkt die wirkliche Geschichte - die Überwindung von Schuld und Trauer - in den Hintergrund gedrängt wird. Die Frage nach dem Sinn kann und will er seiner Hauptfigur nicht beantworten. Es würde von Pauls emotionaler Reise ablenken, von der Erkenntnis, dass der Lebensentwurf, den er hatte, nicht länger relevant ist. Des vents contraires ist Erzählkino auf hohem Niveau, kein Freudenbringer, aber eine gelungene Betrachtung dessen, wie man mit dem Leben weitermacht, wenn (fast) aller Sinn verschwunden ist.

15.06.2012

4

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