Der Gott des Gemetzels Frankreich, Deutschland, Polen 2011 – 79min.

Filmkritik

Nicht von schlechten Eltern

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Zwei Elternpaare treffen sich, nachdem ihre Söhne in der Schule aneinander geraten sind: Roman Polanski hat Yasmina Rezas Theaterstück "Der Gott des Gemetzels" verfilmt - als grossartiges Kammerspiel.

Zwei Kinder haben sich gestritten. Der eine Junge schlug dem anderen ein paar Zähne aus. Nun treffen sich die Eltern (Kate Winslet und Christoph Waltz bzw. Jodie Foster und John C. Reilly), der beiden Jungen, um die Angelegenheit auf zivilisierte Art und Weise aus der Welt zu räumen. Was eigentlich nur als kurzes, klärendes Gespräch gedacht war, entwickelt sich erst zur Diskussion über Gewalt und die Grenzen der Verantwortlichkeit, dann zum verbalen Kriegsschauplatz zweier Paare, deren sehr unterschiedlichen Lebensanschauungen aufeinander prallen. Die Fassade der Gutbürgerlichkeit bröckelt - tief drinnen ist jeder nur ein unzivilisierter Wilder.

Carnage basiert auf dem erfolgreichen Stück von Yasmina Reza, die auch am Drehbuch für das Echtzeit-Kammerspiel mitschrieb, das in seiner Dramatik außergewöhnlich gewitzt ist. Es gibt einige Fallstricke, wenn man ein Theaterstück - noch dazu eines, das mit seiner Geschichte so sehr auf einen Ort verdichtet ist - in das Medium Film übertragen will. Polanski weicht diesen jedoch allesamt aus. Tatsächlich lässt er den Zuschauer vergessen, wie komprimiert die Geschichte eigentlich ist.

Obschon Carnage nur in einer Wohnung spielt, ist Polanski mit einer sehr dynamischen Kamera immer direkt am Geschehen. Er nutzt den engen Raum der Wohnung filmisch aus und erhöht so den Druck auf die Protagonisten. Als Zuschauer fühlt man sich dabei fast so, als würde man auf dem Sofa sitzen und gespannt beobachten, wie dieses Treiben einem Derwisch gleich immer wahnsinniger wird.

Der Film zeichnet sich dadurch aus, dass er extrem schnell erzählt ist. Das Kammerspiel lässt auch die Action-Blockbuster dieses Jahres hinter sich, und das, obwohl der Konflikt hier nur ein verbaler ist. Aber die Feder war schon immer mächtiger als das Schwert. Das spiegelt sich auch in den Gesichtern des grossartigen Ensembles wider, für das Carnage ein einziges Vergnügen gewesen sein muss: dank eines Plots, der stark auf die Figuren fokussiert ist und eine emotionale Reise bildet, an deren Ende nichts mehr ist, wie es war. Letztlich werden die Fassade der Gutbürgerlichkeit, die kultivierten Vorurteile und das Gefühl, man sei besser als die anderen, geschreddert und auf dem Altar des Gotts des Gemetzels geopfert.

02.05.2012

5

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Kommentare

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Urs23

vor 11 Jahren

Grandios, wie Polanski aufzeigt, wie die Hüllen der Höflichkeit langsam aber sicher von den Protagonisten abfallen und die wahren Gefühle zum Vorschein kommen.


rikki

vor 11 Jahren

Hätte ein bisschen mehr erwartet, aber trotzdem unterhaltsam.


erb

vor 11 Jahren

Einfach grossartig von allen gespielt.


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