Anonymus Deutschland, Grossbritannien 2011 – 130min.

Filmkritik

Irrungen und Wirrungen

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Der Aufruhr in Großbritannien war so heftig wie absehbar. Wie kann es nur jemand wagen, am Denkmal des Nationalheiligen Shakespeare zu kratzen? Und noch dazu ausgerechnet ein Deutscher, der sich die meiste Zeit seines beruflichen Lebens mit wenig schöngeistigen Dingen in Hollywood beschäftigt hat?

Wirklich nachvollziehbar ist diese Sichtweise auf Anonymous nur bedingt, vor allem schießt sie weit übers Ziel hinaus. Denn erstens behauptet Regisseur Roland Emmerich zu keinem Zeitpunkt, dass es sich bei seinem Film um irgendetwas anderes handelt als Fiktion. Und zweitens versucht er nicht in einen Moment lang, die Qualität und Wirkung von Shakespeares Stücken auch nur im Geringsten zu mindern.

In Anonymous stammen diese einzigartigen Werke eben einfach nur nicht aus der Feder von Shakespeare, sondern viel mehr von Edward de Vere, dem Graf von Oxford (Rhys Ifans). Aufgrund seines adligen Standes - und als Folge eines Überwürfnisses mit Königin Elisabeth I. (Vanessa Redgrave), mit der in jungen Jahren ein Verhältnis hatte - darf er seine Stücke nicht veröffentlichen. Ein Strohmann soll als Autor fungieren, und diese Rolle kommt, auf Umwegen, dem eher wenig intellektuellen Schauspieler William Shakespeare (Rafe Spall) zu. Als die alternde Königin in Fragen der Thronfolge allerdings zusehends von ihren intriganten engsten Beratern manipuliert wird, will Vere den Erfolg seiner Dramen dazu nutzen, um seinerseits politischen Einfluss zu nehmen.

Nur im Ansatz lässt sich anhand an dieser Inhaltsangabe erkennen, wovon das – anfangs kompliziert konstruierte, später sehr geradlinig erzählt – Drehbuch von John Orloff hauptsächlich lebt: Irrungen und Wirrungen, Intrigen und Machtspielchen, inklusive Inzest und illegitimer Kinder. Denn Anonymous ist eben weder eine Geschichtsstunde noch ein Film über Literatur, sondern in erster Linie eine Historien-Seifenoper, wie gemacht für Fans von The Tudors oder Borgia. Die Dialoge neigen entsprechend zu Pathos und Plattitüden und womöglich hätte man sich gewünscht, alle Beteiligten würden die Sache ein klein bisschen weniger ernst nehmen. Aber der Unterhaltungsfaktor in Anonymous ist ohne Frage hoch.

Emmerich hat bei seinem Abstecher ins England des 16. Jahrhunderts seinen Hang zum Spektakel nicht abgelegt. Die opulent ausgestatteten Kulissen und Kostüme sind prächtig anzusehen, sogar für eine seiner geliebten Explosionen findet er Platz. Weil dieses Mal allerdings auch ein hochkarätiges Ensemble - vor allem Ifans und Redgrave gewinnen ihren Figuren erstaunlich viele Facetten ab - vor seiner Kamera stand, sticht Anonymous ohne Frage aus seinem Oeuvre hervor.

15.11.2011

3

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Kommentare

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gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

Ich schwanke zwischen gut und durchschnittlich.


Tatschi82

vor 11 Jahren

Ich liebe historische Filme und obwohl diese Geschichte nicht belegt ist, finde ich, ist sie das Nachdenken wert. Sehr tragisch.


güx

vor 12 Jahren

Ein wirklich sehr schlechtes Machwerk mit miesem Cast, langfädiger Geschichte und äusserst platten Dialogen. Zum Gruseln!


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