CH.FILM

Sennentuntschi Schweiz 2010 – 122min.

Filmkritik

Kerle, Kruzifix und kein Erbarmen

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der Leidensweg ist zu Ende, das "Sennentuntschi" lebt. Und wie! Die sagenhafte Hirtenpuppe, die belebt und geschändet wurde, kehrt den Spiess um und macht Mannsbilder zu Puppen. Michael Steiners harsches Alpendrama entpuppt sich als Mysterythriller mit einigen horrenden Rätseln. Sein Genremix wird manche Kinobesucher überfordern und irritieren.

Kein leicht verdaulicher Brocken, den der Schweizer Filmemacher Michael Steiner ("Grounding", "Mein Name ist Eugen") dem Premierenpublikum beim 6. Zurich Film Festival zumutete. Das lag auch nicht in seiner Absicht. Er hat den sagenhaften "Sennentuntschi"-Stoff zu einem Genremix verquirlt - aus Alpenwestern, Bergdrama, Exorzismus-Thriller und Mysterytour. Es beginnt ganz harmlos mit Mutter und Kind beim Pilzesuchen. Doch da steckt schon Gift - oder der Teufel? - drin. Ein Skelett im Wald und die übliche "Tatort"-Szenerie. Eine vermummte Gestalt verschwindet. Und schon wird der Zuschauer ins Jahr 1975 versetzt.

Erst der Absinth bringt die freudlose Seele der einsamen Männer auf der Alp zum kochen. Der Senn Erwin (Andrea Zogg), der scheinbar depperte Bub Albert (Joel Basman) und der Städter Martin (Carlos Leal), der vor irgendetwas flieht, basteln eine Puppe und hauchen ihr im Suff Leben ein. Was dann passiert, kann sich der Zuschauer ausmalen und bekommt es später im Film nachgeliefert.

Zeitsprung und Szenenwechsel: Eine sprachlose Frau sucht ein Bergdorf und den Dorfpolizisten Reusch (Nicholas Ofczarek) heim. Kurz zuvor wurde ein Kirchenmann am Strick gefunden. Der Pfarrer (Ueli Jäggi) fuchtelt bald einmal mit dem Kruzifix herum und macht den Teufel, sprich die Fremde (Roxane Mesquida), für den "Selbstmord" seines Kutten-Bruders verantwortlich. Der Pfaff hetzt die Dorfmeute auf und die Jagd beginnt.

Flucht und Jagd, Verstörung und Aufklärung, Gewalt und Rache, Sex und Sünde - das sind die Ingredienzien, die Michael Steiner zu einem schaurigen Mystery-Cocktail mixt. Realität und Erscheinungen vermischen sich auf verschiedenen Zeitebenen und Schauplätzen. Dramaturgisch nicht immer nahtlos verbunden, werden viele Irritationen und Rätsel aufgeworfen: Was steckt hinter dem tumben Bub und hinter dem unbefleckten Tuntschi, das sich animalisch gibt, aber auch Gefühle zeigt? Selbst das Kampusch-Drama findet Eingang in die Geschichte. Was bleibt? Ein investigativer Bündner Film für den Kopf und fürs Auge, der viele Puzzlestücke liefert, die man selber zusammensetzen muss. Ein Film, der zuviel will, überladen wirkt und zwischen Tragödie und Thriller pendelt.

16.09.2021

3

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Kommentare

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dulik

vor 4 Jahren

Ein Schweizer Gruselfilm, der zwar durchaus zu unterhalten weiss, dem Horrorgenre aber nicht wirklich gerecht wird. Schockierend wird es nämlich nur dann, wenn beispielsweise Tierkadaver zu sehen sind. Vielmehr kommt "Sennentuntschi" als eine Art Krimi daher, welcher durch viele Wendungen aber weitgehend spannend bleibt.
6/10Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 4 Jahren


gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

Wirklich mystisch.


fcamichel

vor 11 Jahren

Ein wirklich sehenswerter Schweizer Film. Mystische Stimmung wird gekonnt eingesetzt und die Charaktere wirken jederzeit authentisch. Die Geschichte wird gelungen erzählt, fesselt die Zuschauer und bietet ein paar Überraschungen. Die Rückblende am Schluss hätte meiner Meinung nach weggelassen werden sollen, um mehr Denkprozesse beim Zuschauer zu erzeugen.Mehr anzeigen


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