CH.FILM

Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen Deutschland, Schweiz 2010 – 92min.

Filmkritik

Die Christen-WG

Filmkritik: Lynn Scheurer

In einer der heiligsten Stätten des Christentums, der Grabeskirche in Jerusalem, bilden Geistliche verschiedener Konfessionen eine Wohngemeinschaft. Dabei zeigt sich: Christ ist nicht gleich Christ.

Schon nach den ersten Minuten wird klar, dass der WG-Alltag in der Grabeskirche nicht immer sehr brüderlich vonstatten geht. Die katholischen Franziskaner unterbrechen mit ihrem Orgelgetöse provokant den dünnen Chorgesang der ägyptischen Kopten, die griechischen Orthodoxen verweilen zu lange am Grab Christi und die äthiopischen Abessinier werden kurzerhand aufs Dach vertrieben. Bei all dem Gezänke überrascht es nicht, dass der Schlüssel der Kirche zwei muslimischen Familien anvertraut wurde, damit es wenigstens darüber keine Diskussionen gibt.

Störrisch auf ihren Rechten beharrend, wirken die christlichen Patriarchen ein wenig lächerlich. Dass die Diskussionen für sie aber absolut ernst sind, zeigt sich, als die Situation an einem Palmsonntag eskaliert. Ein griechischer Mönch weigert, sich am Grab Christi Platz für die nächste Gruppe zu machen. In der proppevollen Kirche kommt es deshalb beinahe zu einer Massenschlägerei. Schockierend, wie schnell die Emotionen hier hochkochen können.

Die Kirche und ihre Bewohner kommen generell selten zur Ruhe. An hohen Feiertagen drängen sich die verschiedenen Konfessionen singend durch die überfüllte Kirche, flankiert von unzähligen Touristen. Das ist mehr Karneval als heilige Stätte. Abends, wenn die Touristen verschwunden sind, die Kirche abkühlt und die Gesänge verstummen, verändert der Ort jedoch sein Gesicht. Vereinzelt sitzen Priester in den Ecken der verwinkelten Kirche, jeder betet leise in in seiner eigenen Sprache und Melodie. Im Gegensatz zur kollektiven Ritualpflege, die den Grossteil des Alltags ausmacht, zeugen diese Bilder von echter Sehnsucht nach Spiritualität. Zum ersten Mal lässt sich erahnen, warum die Bewohner diesen chaotischen Ort so lieben und unbedingt bleiben wollen.

Regisseur Hajo Schomerus zeigt das Leben in diesem babylonischen Durcheinander kommentarlos. Die Botschaft des Films ist auch so schon nach wenigen Szenen offensichtlich. Die Christen der Grabeskirche leben neben- statt miteinander, sehen bei all ihren Gemeinsamkeiten doch immer nur die Unterschiede. Der Film ist eine Parabel über die Schwierigkeit echter Verständigung und Kompromisse. Schade, dass man (mit einer Ausnahme) nie zu Gesicht bekommt, wo die Geistlichen denn nun genau übernachten. Eine weitere Schwäche des Films ist seine Repetitivität: Szene um Szene wird prozessiert, gebetet, gesungen und geweihräuchert. Trotz oder vielleicht auch gerade dank dieser Langatmigkeit schafft Schomerus immer wieder eindringliche Atmosphären, die den Zuschauer direkt ins Geschehen hineinversetzen.

17.02.2024

3

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Kommentare

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caminovie

vor 13 Jahren

Interessanter Film, der uns gut eintauchen lässt ins Leben in dieser Grabeskirche. Geht leider nicht gross in die Tiefe.


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