Home for Christmas Deutschland, Norwegen, Schweden 2010 – 85min.

Filmkritik

Nacht der Einsamen und Betrogenen

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

Basierend auf Kurzgeschichten des norwegischen Autors Levi Henriksen zeigt Kitchen Stories-Regisseur Bent Hamer, was unterschiedliche Menschen zur selben Zeit in derselben Gegend erleben: an dem Abend im Jahr, der für viele ein ganz besonderer ist.

Ein Winterabend wie jeder andere, und doch lässt er niemanden gleichgültig: Es ist der 24. Dezember. Paul ist frustriert: Seine Frau hat einen anderen, seine Kinder hat er seit Wochen nicht gesehen, und zum ersten Mal muss er Weihnachten allein verbringen. Voller Vorfreude ist dagegen Karin. Sie hat sich und die Wohnung herausgeputzt und wartet auf den Geliebten, der ein Doppelleben führt.

Ein junger Arzt wiederum ist überarbeitet. Auch an Heiligabend hat er Dienst, seine Frau soll wieder einmal allein zur Mitternachtsmesse gehen. Doch dann kommt alles anders, als der Arzt zu einem Notfall gerufen wird. Schliesslich sind da noch ein Clochard, der sich Geld für ein Billett nach Hause erbettelt, ein Teenager, der mit seiner muslimischen Klassenkameradin den Sternenhimmel beobachtet und ein alter Mann, der sorgfältig das Kleid seiner bettlägerigen Frau bügelt.

Während die einen die Einsamkeit spüren, bemühen sich andere krampfhaft um Harmonie. Und wieder andere versuchen sich aus der Weihnachtsgefühlsduselei herauszuhalten. In dieser Nacht wird gestritten, geschwiegen, gehasst und geliebt. Man rächt sich, findet zueinander, der eine stirbt, ein anderer wird geboren.

Bent Hamers Filme bestechen oft durch verschroben-liebenswerte Figuren, die lieber schweigen als reden und mit grosser Selbstverständlichkeit Absurdes treiben. Das tun sie auch hier, wenn auch weniger oft. Da wird etwa der betrunken gemachte Widersacher in die Krippe gelegt, das Jesuskind dagegen auf dem Beifahrersitz durch die Gegend kutschiert. Besonders zeigt sich in "Home for Christmas" aber Hamers Sympathie für die Menschen am Rande der Gesellschaft - die Einsamen, die Betrogenen, die Leisen. Besonders viel bedeutet Hamer offensichtlich das Flüchtlingspaar mit dem neugeborenen Kind. Vielleicht beschert er ihnen deshalb ein magisches Erlebnis am Ende des Films: Sprachlos stehen sie in der weiten Schneelandschaft, über sich das Polarlicht, das in seiner Schönheit irreal, fast kitschig wirkt.

Hier und besonders mit dem Verweis auf die heilige Familie trägt Hamer etwas dick auf. Doch Hamers Handschrift rettet "Home for Christmas" davor, in die Reihe "gewöhnlicher" Weihnachtsfilme abzugleiten, ist doch ein Hauch melancholischer Skurrilität stets spürbar.

18.02.2024

4

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Kommentare

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gocav

vor 13 Jahren

ein toller märchen-film!


spiritofmars

vor 13 Jahren

geschhichten aus dem alltag die immer passieren egal ob weihnachten oder nicht. wunderbar


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