Gainsbourg Frankreich, USA 2010 – 135min.

Filmkritik

Ein Leben in «Décadanse»

Flavia Giorgetta
Filmkritik: Flavia Giorgetta

Serge Gainsbourg und die Frauen: Wie viele Geschichten und Mythen gibt es darüber? Der französische Comic-Autor und Neo-Regisseur Joann Sfar probiert einen neuen Ansatz: Er kapriziert sich auf die Kindheit des grossen Franzosen, interessiert sich für sein gutes Verhältnis zu den Eltern - und deklariert den Film gleich im Vorspann zum Märchen.

Natürlich spielt auch bei Sfar das Genie des französischen Tausendsassas eine Rolle: Es nimmt als Puppe mit übergrosser Nase und überlangen Gliedern Gestalt an. Zugleich Ideal- und schonungsloses Spiegelbild nervt dieses Alter Ego Gainsbourg, oder es spornt ihn an. Ganz ohne Anekdoten kommt aber auch "Gainsbourg" nicht aus: So sehen wir etwa, wie er die Sängerin Fréhel kennenlernt, mit Boris Vian abstürzt, sich von Juliette Gréco bezirzen und von Brigitte Bardot, die damals noch mit Playboy Gunter Sachs verheiratet war, zu seinem Stöhn-Hit "Je t'aime ... moi non plus" inspirieren lässt.

Doch das Gewicht des Films liegt nicht auf den Frauengeschichten oder der Entstehung der Chansons, Rocksongs und Reggaehymnen, sondern auf Gainsbourgs jungen Jahren, als er noch Lucien Ginsburg hiess, und auf seiner sehr zärtlichen Beziehung zu den jüdischen Eltern, die aus Russland nach Frankreich emigrierten. Joann Sfar stattet schon den jungen Gainsbourg mit viel Fantasie aus: Der jüdische Parasit eines antisemitischen Plakats verselbständigt sich in Luciens Gedankenwelt zu einer ihn verfolgenden Figur, mit der er auch mal ein Tänzchen hinlegt. Was den Vorpubertierenden aber am meisten interessiert, sind nackte Frauen, die er detailgetreu in pornographischen Skizzen festhält.

Der 11-jährige Westschweizer Kacey Mottet Klein zeigt als junger, bereits kettenrauchender Gainsbourg, dass der Schweizer Filmpreis für das beste Nachwuchstalent 2009 (für seine Rolle in "Home") berechtigt war: Er überzeugt ebenso als Bengel wie als Mama-Söhnchen. Den erwachsenen Gainsbourg spielt Eric Elmosnino, erklärtermassen kein Fan und deshalb wohl nicht zu ehrfürchtig, auch den hässlichen Gainsbourg zu zeigen - im Suff war er ein ziemliches Ekel.

17.02.2024

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 11 Jahren

Mal abgesehen von den surrealen Szenen mit seinem alter Ego hat der Film nicht allzuviel zu bieten. Vielmehr wirkt das ganze wie eine einzige Wiederholung von Zwischensequenzen, die zu den einzelnen Hits von Gainsbourg führen. Doch dafür kann man auch ganz einfach eine CD hören. Man müsste eigentlich zweieinhalb Punkt geben. Drei kann ich nicht geben, dafür hat er mich zusehr gelangweilt.Mehr anzeigen


andy1964

vor 13 Jahren

Hat mir sehr gut gefallen. Wieder mal ein poetischer Film der mit Fiktion und Realität sehr schön spielt. Elmosnino als Gainsbourg ungemein authentisch und Laetitia Casta als Brigitte Bardot schlichtweg ein Hammer! Ein liebevoller, erotischer und poesievoller Film! Sehr empfehlenswert.


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