Der Räuber Österreich, Deutschland 2010 – 96min.

Filmkritik

Der Marathonmann

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Statische Einstellungen, reduzierte Bilder, eine nüchterne Erzählhaltung sowie spröde Langsamkeit gehören zu den Markenzeichen der "Berliner Schule", zu der man auch Benjamin Heisenbergs Erstling "Schläfer" zählte. Für seinen zweiten Film geht Heisenberg ein gewagtes Experiment ein: Er dreht mit genau jenen Charakteristika einen Actionthriller.

Vorlage für die Geschichte von "Der Räuber", mit dem der Regisseur erstmals in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen wurde, ist der gleichnamige Roman von Martin Prinz, der wiederum auf einem wahren Fall der österreichischen Kriminalgeschichte basiert; leicht abweichend von der Realität heißt der Protagonist hier Johann Rettenberger (beeindruckend: Andreas Lust). Zu Beginn des Films sitzt er im Gefängnis, dreht täglich seine Runden im Knasthof und trainiert auf einem Laufband in seiner Zelle.

Kaum wird er entlassen, kommt er in Wien bei seiner alten Bekannten Erika (Franziska Weisz) unter und macht sich daran, als Marathonläufer Erfolge zu feiern. Parallel allerdings fängt er auch schnell wieder an, Banken zu überfallen, ausgerüstet mit Maske, Kapuzenpullover und Pumpgun und dabei nicht selten zu Fuß auf der Flucht. Als ihm die Polizei eines Tages doch noch auf die Schliche kommt, weiß Rettenberger entsprechend nur einen Ausweg: laufen, immer weiterlaufen!

Mit reduzierten Bildern, stilistischer Präzision und zumindest in der ersten Filmhälfte ziemlich langsamen, wortkargen Passagen verankert Benjamin Heisenberg seinen Räuber durchaus im Umfeld der Berliner Schule. Und natürlich liegt jeder falsch, der von diesem sorgfältig aufgebauten und inszenierten Film erwartet, er würde eine Rasanz entwickeln, wie etwa Hollywood sie bei einer solchen Geschichte an den Tag gelegt hätte.

Schon weil Heisenberg auf jegliche Psychologisierung verzichtet und Herkunft oder Motivation seines Protagonisten jenseits der Sucht nach dem Kick und der Suche nach ultimativer Freiheit bewusst ausspart, sperrt er sich gegen allzu große Mainstream-Nähe. Doch spätestens wenn Rettenberger sich auch anderer, schwerwiegenderer Verbrechen schuldig macht und Flucht, Verfolgung und Kidnapping die zweite Filmhälfte dominieren, wird "Der Räuber" von energischer Spannung getrieben - und beweist tatsächlich nachdrücklich, dass sich Genrekino und Berliner Schule auf faszinierende Weise miteinander verbinden lassen.

18.02.2024

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 10 Jahren

Schroff aber auch mit einer ziemlichen Sogwirkung.


Electroman

vor 13 Jahren

Spannend von der ersten bis zur letzten Sekunde. Die Überzeugungskraft des Hauptdarstellers verleiht dem Film trotz des kargen Handlungsrahmens eine magische Sogwirkung, der sich kaum ein Mann entziehen kann. Europäisches Kino auf höchstem Niveau.


pradatsch

vor 13 Jahren

Bemerkenswert, wie der Film trotz eigener Bildsprache die Atemlosigkeit und das gleichzeitig distanziert wirkende aber unter die Haut gehende Erzählen des Romans aufgreift!


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