Die Höhle der vergessenen Träume Kanada, Frankreich, Deutschland, Grossbritannien, USA 2010 – 90min.

Filmkritik

Staunen und Raunen

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Augen auf und rein: Werner Herzog steigt mit einer Handkamera im Gepäck in das Dunkel der Chauvet-Höhlen und fördert nie gesehene Bilder zu Tage.

Kaum hat man sich die 3D-Brille auf die Nase gesetzt, ist es wieder da: Werner Herzogs Staunen und Raunen, von dem man nie recht weiss, ob es sich so ernst nimmt, wie man eben doch anzunehmen geneigt ist. Schon kichert das Publikum, dabei wird das genäselte Englisch der Franzosen nicht weniger lustig tönen, die bald ein Wörtchen mitreden werden. Heisst so etwas nicht "Amuse-bouche"?

Es ist natürlich ein Riesenglück, dass ausgerechnet der Mystiker unter den Dokumentarfilmern vom französischen Kulturminister den Auftrag erhielt, die Chauvet-Höhlen in Südfrankreich - gewöhnlich so fest verschlossen wie ein Schweizer Banktresor und nur wenige Tage im Jahr einer Handvoll Forscher geöffnet - auf filmischem Wege einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen; man hatte im noch bekannteren Lascaux leidvoll erfahren müssen, wie schnell der feuchte menschliche Atem steinzeitliche Höhlenmalereien angreift. Die Bilder in Chauvet, vorwiegend verblüffend naturalistisch gezeichnete und in den Raum gedachte Tierszenen, sind derart gut erhalten, dass man nach ihrer rein zufälligen Entdeckung im Jahre 1994 den Verdacht hatte, hier hätte sich jemand einen Scherz erlaubt. War etwa Banksy hier?

Herzog ist erst einmal überwältigt, und er bleibt es im Grunde bis zum Ende. Über fast zu weite Strecken ist Cave of Forgotten Dreams eine mystische Entgrenzungsorgie, während der auch Herzog, der ach so heilig-nüchterne Quatschkopf, stumm auf die Knie fällt und dabei Dinge sieht, für die ein anderer keine Augen hätte. "Dieser Bison hat acht Beine. Ist das nicht der Versuch, seine Laufbewegung einzufangen? Hab' ich eben das Urkino entdeckt?" Etwas störend nur, hat Herzog - sonst ein Meister des musikalischen Kontrapunkts - sich im Ton vergriffen. Die röhrenden A-Capella-Chöre und das dröhnende Cello-Sägewerk (Musik: Ernst Reijseger) sind so unnötig wie Herzogs plötzliches Anherrschen seiner Gesprächspartner, denen er schon mal vorbeikommt, als wäre er ihr Oberlehrer. "Sie bleiben schön hier!"

Auch hier wird es jedoch rasch wieder Herzog'sch im besten Sinne: Noch im Flackerfackellicht entdeckt er jene süssen Spinner mit dem Glühen der fanatischen Wahrheitssucher in den Augen, für die er schon immer ein Faible hatte. Da ist kein Grizzly Man dabei - dafür ein angeblicher Wissenschaftler, der im Bärenkostüm auf einer Knochenflöte die amerikanische Nationalhymne spielt. Oder ein Parfumeur im Ruhestand, den seine spitze Nase zu noch unentdeckten Steinzeitgalerien führen soll? Das ist schon fast wieder zu seltsam, um wahr zu sein. Herzog halt.

08.03.2024

4

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Kommentare

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aea

vor 12 Jahren

Eindrückliche Bilder erzeugen eine eigentümliche Stimmung. z. T. etwas in die Länge gezogen...


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