Beginners USA 2010 – 105min.

Filmkritik

Man liebt nicht nur einmal

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

"Ich will nicht mehr nur in der Theorie schwul sein, sondern endlich auch einmal so leben!" Mit diesen Worten gesteht Hal seinem Sohn Oliver seine Homosexualität. Hal ist 75 Jahre alt, Olivers Mutter, mit der er 45 Jahre verheiratet war, ist gerade gestorben. Und so beginnt der rüstige ältere Herr noch einmal ein neues Leben und stürzt sich auf alles, was die Schwulenszene zu bieten hat.

Aus diesem Stoff alleine hätte man einen furiosen Film machen können. Doch Beginners, für den Regisseur Mike Mills seine persönlichen Erfahrungen mit dem späten Coming Out seines Vaters verarbeitet, fängt eigentlich erst so richtig an, als all das eingangs Beschriebene bereits in der Vergangenheit liegt. Denn schon nach ein paar Jahren ist es mit Hals Unbeschwertheit wieder vorbei: bei ihm wird Krebs im Endstadium diagnostiziert, viel Zeit für das neue Glück mit dem jüngeren Lover bleibt nicht.

Parallel zu Hals letzten Wochen, in denen sein Sohn kaum von seiner Seite weicht, erzählt Mills, wie es Oliver nach dem Verlust seines Vaters ergeht. Wochenlang versinkt er in einem Tal der Traurigkeit, aus dem er erst langsam herauskommt, als er die französische Schauspielerin Anna (Mélanie Laurent) kennen lernt. Die Erinnerung an Hals mutigen zweiten Frühling lässt auch ihn sich in ein neues Abenteuer stürzen.

Dass Mills nicht eine geradlinige Geschichte erzählt, sondern geschickt diese zwei sich aufeinander beziehenden Handlungsstränge verschachtelt, gehört zu den reizvollen Raffinessen von Beginners. Derer gibt es viele, denn der Regisseur, der auch als Grafiker und Künstler Erfolge feiert, scheint sich über mangelnde Kreativität nicht beklagen zu können. Mit Graffitisprüchen, Zeichnungen und rasanten Bildmontagen kommentiert der Film nicht nur seine Handlung, sondern auch Popkultur und Gesellschaftsgeschichte, von Sigmund Freud bis Britney Spears. Selbst Hals entzückender Jack Russell Terrier Arthur meldet sich gelegentlich in frechen Untertiteln zu Wort.

Womöglich mag man manches Detail in Beginners allzu gewollt skurril oder verspielt finden. Aber man muss schon ein Herz aus Stein haben, um nicht neidlos anzuerkennen: die Kalkulation geht einfach perfekt auf. Dass Mills' Erzählung zu weiten Teilen autobiografisch ist, sorgt für spürbare Authentizität, die Schauspieler um den gewohnt dezenten Ewan McGregor und einen mit unbändiger Lebensfreude rührenden Christopher Plummer tun ihr Übriges. So versprüht der Film vom ersten Moment an Charme und Wärme, wie sie im Kino längst nicht zum Standard gehören, und rührt mal mit zarter Melancholie zu Tränen, mal mit liebevollem Humor zum Lachen.

17.02.2024

4

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Kommentare

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spiritofmars

vor 10 Jahren

Schön


Patrick

vor 10 Jahren

Evan Mc Gregor und Christoper Plummer spielen famos und die Story ist schön und ruhig erzählt. TV. Tip für anspruchsvolle Arthouse Film Liebhaber.


Tatschi82

vor 11 Jahren

Ich war ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht von diesem Film. Hatte mehr erwartet. Es ist unmöglich als Zuschauer eine "Beziehung" zu einem der Charaktere aufzubauen und es wirkt alles etwas "gewollt"


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