Angèle et Tony Frankreich 2010 – 83min.

Filmkritik

Der Fischer und seine vermeintliche Frau

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Zwei Menschen wie Katze und Hund: Angèle ist eine Kratzbürste, wild, unberechenbar und schier unausstehlich, sie kämpft um ihren Sohn Yohan, der bei den Grosseltern lebt. Tony, der wortkarge, bedachtsame Fischer in der Normandie, sucht eine Hilfe für seinen Kleinbetrieb. Es entsteht eine Beziehung mit Ecken und Kanten.

Eine Kontaktanzeige. Angèle (Clotilde Hesme) wartet ruhelos in einem Café. Tony (Grégory Gadebois), der Fischer, kommt verspätet. Der Junggeselle traut der 27-jährigen, ungestümen «Braut» nicht, die mit ihm offensichtlich anbändeln will. Zwei Menschen - wie Katze und Hund - ziehen sich irgendwie an. Sie kratzen und reiben sich aneinander, liegen im Clinch, verlieren und finden sich.

Der Zuschauer weiss, dass die kratzbürstige, wilde Angèle, just aus dem Knast entlassen, um ihren Sohn Yohan (Antoine Couleau) kämpft, der bei den Grosseltern aufwächst. Sie muss eine bürgerliche Existenz vorweisen, um das Sorgerecht zu bekommen. Sie strebt eine Zweckheirat an. Davon ahnt der biedere, liebenswürdige Prachtkerl Tony vorerst nichts. Die Wogen und Stürme müssen sich erts glätten, damit die beiden auf den Grund sehen könn.

Eine herbe Küstenlandschaft der Normandie, eine herbe Beziehung und Liebesgeschichte. Die Französin Alix Delaporte, die auch das Drehbuch schrieb, entwickelt eine Beziehung mit subtilen Strichen und Szenen. Andeutungen, Gesten und Blicke sagen mehr als tausend Worte und aufgedonnerte Kino-Dramatik. Es ist ein Liebesfilm der leisen Töne - auch beim Sex. Teilweise wirken die Szenen wie Skizzen, Silben und subtile Signale. "Du brauchst jemanden wie dich", outet Tony bei der ersten Begegnung die ratlose Angèle. Er wird zum Hafen, in dem sie ankern kann. Äusserlich und charakterlich gegensätzlich wagen Angèle und Tony die grosse Fahrt, auf der sie auch ein "Leichtmatrose" begleiten wird.

Clotilde Hesme vibriert und agiert als schillernd irritierende Person - anziehend und cool erotisch. Ein Spiel so intensiv und innig wie auf einer Theaterbühne. Grégory Gadebois, Angehöriger der Comédie Française, verkörpert Tony, den ruhenden Pol, die Konstante, den festen Grund vor einer Küstenkulisse, die als erweiteter Lebensraum dient. Ein Film gegen den Strom, gegen Aufdringlichkeit und sonst üblichem Kinogetöse, ganz auf die Empfindungen seiner Protagonisten eingestellt. Dass einige Fragen - etwa nach dem Vater Yohans und Angèles Zeit hinter Gittern - offen bleiben, stört nicht. Das Kammerspiel unter dem Meereshimmel ist ein Meisterwerk der Subtilität, Einfachheit und innigen Zwiesprache.

15.08.2011

4

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