Helen Kanada, Deutschland, Grossbritannien, USA 2009 – 119min.

Filmkritik

Eine Frau und ihre Krankheit

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Wenn europäische Regisseure in Hollywood drehen dürfen, erwartet man von ihnen in der Regel, dass sie sich auf jenes Erfolgsrezept verlassen, das sie überhaupt in die Traumfabrik gebracht hat. In Sandra Nettelbecks Fall wäre das ein leicht melancholisches Feel-Good-Movie à la "Bella Martha". Doch die Deutsche hat sich dafür entschieden, die Geschichte einer Depression zu verfilmen.

Mit kleinen Rissen in der perfekten Fassade von Helens Leben beginnt das Drama: hier eine spontane Traurigkeit, da eine schlaflose Nacht. Nicht einmal die erfolgreiche Musikprofessorin (Ashley Judd) selbst, die samt gut aussehendem Ehemann (Goran Visnijic) und patenter Teenager-Tochter im schicken Haus doch das perfekte Leben zu haben scheint, ahnt anfangs, welche Krankheit sie da mit unheimlicher Macht in die Finger zu bekommen droht. Lange unbemerkt auch von ihrem Umfeld, wird die Depression immer stärker, so dass bald keine Medikamente mehr helfen, erste Psychiatrie-Aufenthalte wirkungslos bleiben und Helen den Bezug zu ihrer Familie und ihrem glücklichen Leben vollkommen zu verlieren droht.

Depression mag längst als neue Volkskrankheit diagnostiziert worden sein (was den Film durchaus zu einer zeitgemäßen Angelegenheit macht), doch das heißt nicht, dass ihre Entstehung, ihr Verlauf oder gar ihre Heilung ohne weiteres allgemein erklär- und vermittelbar wären. Insofern wählt Sandra Nettelbeck, die auch das Drehbuch zu ihrem englischsprachigen Debüt geschrieben hat, für "Helen" den richtigen Ansatz: Dem Leben der Protagonistin haftet etwas leicht Exemplarisches an, ihre Krankengeschichte begleitet sie beobachtend, ohne zu viel plumpe psychologische Deutungen oder Schuldzuweisungen, aber auch ohne erhellende Erkenntnisse.

Umso unnötiger, weil dramaturgisch durchschaubar und letztlich unglaubwürdig, erscheint deswegen die Einführung einer gleichfalls - aber eben doch auf andere Weise - depressiven Studentin (überzeugend gespielt von Lauren Lee Smith), die zu Helens Wegbegleiterin durch die Krankheit wird, aber zwischenzeitlich nicht nur ihre Freundin, sondern den gesamten Film allzu sehr in ihre Richtung zieht.Dass das schließlich noch verhindert werden kann, liegt weniger an Nettelbecks unkitschig-einfühlsamer, aber teilweise arg gediegen-beigefarbener Inszenierung, als an ihrer fantastischen Hauptdarstellerin. Ashley Judd, die mit Krimis wie "Kiss the Girls" und "Double Jeopardy" zum Star wurde, bevor sie sich zuletzt rar machte, liefert hier die Vorstellung ihres Lebens ab und ist bei aller körperlichen Präsenz derart nuanciert, dass ein bloßer Blick in ihr Gesicht oft reicht, um den Horror der Depression zumindest spürbar zu machen.

26.11.2009

3

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