Geburt 2009 – 76min.

Filmkritik

Der Anfang des Lebens als Selbstverständlichkeit

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

Intimste Momente des Lebens, betrachtet ohne Scheu und ohne Pathos: Silvia Haselbeck und Erich Langjahr haben einen Dokumentarfilm über den Anfang aller Anfänge gedreht - und zeigen alles.

Seit über 20 Jahren ist Silvia Haselbeck die Lebens- und Filmpartnerin von Erich Langjahr, seit "Männer im Ring" ist sie bei all seinen Filmen beteiligt, offiziell als Verantwortliche für Ton, Kamera oder Schnitt. Dabei ist die 1964 in Langenthal geborene Mutter der zwei gemeinsamen Söhne aber mehr als nur die Frau im Hintergrund. "Wir funktionieren als Tandem, sie hat mir bei der Realisierung meiner Ideen in einer Weise geholfen, dass ich jetzt froh bin, nun bei Silvias erstem Film unter ihrem Namen die Rollen einmal umzutauschen", sagt Erich Langjahr zu dieser fast symbiotischen Zusammenarbeit.

So ist "Geburt" nicht einfach ein weiterer Film in der mittlerweile fast vierzigjährigen Filmografie von Erich Langjahr, sondern ein Film, der in dieser Art wohl nur unter der Regie einer Frau realisiert werden konnte, die selber die gezeigten Erfahrungen gemacht hat. Zudem konnten Silvia Haselbecks eigene berufliche Kenntnisse einfliessen, die im medizinischen Bereich liegen. Das zeigt sich beispielsweise am Anfang des Films, wo sie nach unaufdringlich metaphorischen Höhlenansichten auf Geburtsvorbereitungen mit Fussmassage und Atmungsübungen eingeht.

Für den medizinischen Laien mögen diese in etwas gar epischer Breite ausgefallen sein, doch sie stimmen ein auf einen Rhythmus, der trägt und der dem Film jenen langen Atem gibt, der auch frühere Arbeiten des Zweigespanns charakterisiert. Und der in seiner Bildgestaltung jene Detailgenauigkeit erkennen lässt, die beispielsweise in "Das Erbe der Bergler" für immer neue kleine Geschichten sorgte. Statt Wildheuer, die in schwindelerregenden Höhen atemberaubende Frachten herumbugsieren, beobachtet die distanziert agierende Kamera hier intimste Momente ohne Scheu und ohne Pathos.

Die beiden Geburten selbst werden in Echtzeit gezeigt, kompromiss- und kommentarlos, die Irritationen über den begangenen Tabubruch löst sich zwar nicht auf, aber sie gehört ganz selbstverständlich dazu. "Der Film heisst 'Geburt', also war klar, dass wir sie auch zeigen würden", erklärt Silvia Haselbeck die so unschuldig wirkende Offenheit ihres Films, der "alles" zeigt und dabei in jedem Moment von Respekt und Empathie gekennzeichnet ist. So wird "Geburt" ganz schlicht zu einer Hymne an das Leben, und wenn auch das Filmplakat esoterische Überhöhung befürchten lässt - "Geburt" ist davon völlig frei. Ja, es ist im Grunde ein knochentrockener, klassischer Dokumentarfilm in der Tradition von Cinema Verité, der bei diesem extrem sensiblen Thema nur von einem so erfahrenen Tandem wie Haselbeck/Langjahr realisiert werden konnte.

11.01.2010

4

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Kommentare

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anabah

vor 12 Jahren

Ich bin etwas gespalten: Einserseits finde ich den Film sehr einfühlsam gemacht. Der erste Teil hat mich aber eher verwirrt zurückgelassen. Offensichtlich ist das Filmmaterial schon ziemlich alt (70er- oder 80er-Jahre) und das hat mich gestört. Die Begleitung der zweiten Geburt fand ich dann besser. Teilweise wurde aber die Intimsphäre der beteiligten Frauen doch recht stark beansprucht. Und teilweise waren die Szenen sehr abgehackt.Mehr anzeigen


ottiseli

vor 13 Jahren

Ich gebe grundsätzlich keinem Film fünf Sterne. So gesehen, sind vier Sterne die Bestnote. Schade, dass es den Film nicht auf DVD gibt. Hätte ihn gerne in meiner Sammlung.


eduardo62

vor 13 Jahren

Ich gebe Martin Recht. Meine aber, er hätte dem Film ruhig 5 Sterne verleihen können, wenn er ihn schon so rühmt. Beeindruckt hat mich auch die Reaktion des Filmpublikums im Kino. Die meisten Leute sind nach der Vorstellung eine ganze Weile sitzen geblieben, um das Gesehene in aller Stille zu verarbeiten. Sogar meine Freundin, die sonst immer ganz schnell eine rauchen geht. Das will was heissen...Mehr anzeigen


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