Die wundersame Welt der Waschkraft Deutschland 2009 – 93min.

Filmkritik

Wischiwaschi global

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Hans-Christian Schmid kehrt mit seinem ersten Dokumentarfilm seit der Filmhochschule 1992 zurück an die deutsch-polnische Grenze, die in seinem Episodenwerk «Lichter» die Hauptrolle spielte. Während sein hervorragender Spielfilm «Sturm», der im Herbst starten wird, beide Ebenen brillant verbindet, gibt Schmids Dokumentarfilm dem Privaten den Vorzug vor dem Politischen und schafft es nicht ausreichend, das eine im anderen zu finden und darzustellen.

Auf die Fahnen geschrieben hat sich «Die wundersame Welt der Waschkraft» das Porträt der «ausgewanderten Arbeit». Im Zentrum steht das Schicksal einiger von insgesamt 400 polnischen Waschfrauen, die täglich unter Mindestlohn die Wäsche von Berliner Nobelhotels waschen in der Wäscherei des deutschen Unternehmers Fliegel.

Dampf wird vom Kraftwerk nebenan bezogen, die Wäsche in LKW-Containern binnen 24 Stunden hin und her gefahren. Dementsprechend führt der Film ein - drüben wird geschuftet, hüben bettet man sein Haupt in Fünf-Sterne-Bettwäsche. Das ist angenehmer Weise weniger polemisch, als es sich anhört, denn auch der Druck unter dem die Zimmermädchen in Berlin arbeiten wird ersichtlich und natürlich ist die sensible, von Bogumil Godfrejows sehr filmischer Kamaraarbeit gestützte Erzählweise Hans-Christian Schmids weit weg von Agitationen á la Michael Moore. Es ist eine Leistung dieses Films, dass er deutsche Interessen und polnische Alltagsrealität nicht gegeneinander ausspielt. Doch letztlich verliert die Erzählung sich in der ausgiebigen Betrachtung der polnischen Protagonistinnen und ihres Umfeldes, fehlt dramaturgische Stringenz und verwässert so alles, was zur möglichen Kernaussage hätte werden können: sämtliche Familienmitglieder werden in ihrem Alltag begleitet, ein Schwein geschlachtet, von Träumen erzählt, dann wieder haben diese sich offenbar zerschlagen und es wird weiter tapfer Lebenswirklichkeit bewältigt. Beata, eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern muss aus Kostengründen die Exfrau des neuen Freundes unterm gleichen Dach dulden. Beatas Mutter will ein halbes Jahr in England Tulpen setzen, mit dem Geld aber nicht der geplagten Tochter helfen, sondern deren Bruder. Wäscherin Monika wollte eigentlich Ärztin werden und arbeitet jetzt im Schichtbetrieb - vorbei am Mann, den sie kaum sieht und mit zuwenig Zeit für die Tochter, die sich bisweilen im Kampf um ihr persönliches bisschen Glück arg verzettelt.

Durch die geduldige, bisweilen etwas wahllose Begleitung der Waschfrauen und ihrer Familien entsteht ein facettenreiches Bild des Alltags im polnischen Gryfino mit seiner Atmosphäre zwischen Depression und Aufbruch, gelebtem «über-die-Runden-kommen» und erhoffter Zukunft der Kinder - erinnernd an bundesrepublikanische Befindlichkeit Anfang der 1960er Jahre. Angesichts der weltweiten Finanzkrise mit industriellem Sparzwang allorten und unzähligen Fernsehbildern zu Deutschen Hartz IV-Landen im Kopf drängt sich der Verdacht auf, man könnte ähnliche Milieus auch heute wieder in Deutschland finden - und tatsächlich, Unternehmer Fliegel hat inzwischen eine Wäscherei in Leipzig übernommen, die dortigen LKW-Fahrer verdienen noch weniger als die polnischen. Dennoch: eine entlarvende Studie der Arbeit im Zeitalter ihrer globalisierten Mobilität ist hier nicht entstanden, dafür bleibt der Film in seiner Darstellung der industriellen Seite zu diffus.

Das größte Missverständnis aber wäre, angesichts des launigen, an Monty Pythons «Wunderbare Welt der Schwerkraft» und «Mein wunderbarer Waschsalon» oder auch deutsche Dokumentarfilme wie «Die Blume der Hausfrau» erinnernden Titels eine humorvolle Darstellung zu erwarten.

07.05.2009

3

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