Air Doll - Kûki ningyô Japan 2009 – 125min.

Filmkritik

Luft und Liebe

Filmkritik: Eduard Ulrich

Hirokazu Kore-eda, der Meister des präzisen Blicks auf den Alltag, gönnt sich eine Auszeit und inszeniert ein Märchen. Unschwer zu erraten, sehen die Augen seiner belebten Puppe besonders genau auf die Traumwelt, in der mancher lebt.

Der Mann ist ein schizophrenes Wesen: Er liebt das sexuelle Abenteuer genauso wie eine treue Frau und einen geregelten Alltag. Eine aufblasbare Puppe garantiert Verfügbarkeit und Gefügigkeit, für "Überraschungen" muss der ca. 40-jährige Besitzer aber selbst sorgen. Ideal wär, wenn die Puppe auf Knopfdruck lebendig würde.

In europäischen Geschichten wurden einige Puppen-"Belebungen" durchexerziert - beispielsweise in "Coppelia" und im "Sennentuntschi". Kore-edas Inspirationsquelle war dagegen ein Manga, das Problem ist aber immer das selbe: Die belebte Puppe tut nicht mehr, was sie soll, und meist ist der Schalter nicht zu finden, um sie wieder zurückzuverwandeln. Dieser Aspekt und die sparsam, geradezu zart eingesetzte Tricktechnik stehen erwartungsgemäß nicht im Zentrum, sondern die Menschen und ihre mitunter skurrilen Verhaltensweisen. Die "Erwachsenengeburt" bietet die Chance, Ersterfahrungen mit voll ausgebildeter Wahrnehmungsfähigkeit und Bewusstsein zu sammeln.

Während die lebendige Puppe also eine Entwicklung im Zeitraffer absolviert, ohne ihren Charme zu verlieren, bleibt ihr Besitzer in seinen Gewohnheiten gefangen und ist nicht bereit, eine Illusion zu opfern, um sich selbst zu entwickeln. So bemerkt er nicht einmal den unüberbrückbaren Graben zwischen den verschiedenen Naturen von Mensch und Puppe, der in europäischen Märchen über Nixen, die aus Liebe aus dem Wasser steigen, meist zu einem tödlichen Konflikt führt. Das Kunststück Kore-edas besteht allerdings darin, in dieser hochartifiziellen Parabel über Einsamkeit und fragile Beziehungen insbesondere der Puppe wahres Filmleben einzuhauchen. Bevor man dann ganz vergisst, dass uns eine Puppe als Mensch verkauft wird, geht ihr schon mal die Luft aus.

Augenzwinkern, Situationskomik in unmöglichen Konstellationen, sparsame Klaviermusik und einige betörend schöne Bildsequenzen wie die Heimfahrt nach der Arbeit im Zug durch die Nacht am Anfang des Films lassen die Fans auf ihre Rechnung kommen und verleihen der leichthändigen Inszenierung zusammen mit den ausgezeichneten Schauspielern die geschätzte künstlerische Substanz.

07.04.2010

4

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Kommentare

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Klaus1108

vor 13 Jahren

Feinfühliger Film mit Tiefgang. Es geht auch um Fragen wie: was beseelt den Menschen und was macht uns unverwechselbar?


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