CH.FILM

Un autre homme Schweiz 2008 – 91min.

Filmkritik

Vom Mississipi zum Lac de Joux

Sonja Eismann
Filmkritik: Sonja Eismann

Ein Westschweizer entdeckt in der tief verschneiten Provinz das Kino für sich - und lernt als verschlagener Aufsteiger zusätzlich einiges über Medien, Sex und Dominanz.

François (Robin Harsch) zieht mit seiner Freundin Christine (Elodie Weber) in das abgeschiedene Vallée de Joux in der Westschweiz. Sie ist Primarschullehrerin - er bekommt einen Job als "Redakteur" des örtlichen Anzeigenblattes, obwohl er nie zuvor journalistisch gearbeitet hat. Teil seiner bescheidenen Aufgaben ist es, einmal wöchentlich eine Filmkritik zu verfassen, die er aufgrund seiner Unfähigkeit einfach aus einem Pariser Fachblatt namens "Travelling" abschreibt.Nachdem er sich aufgrund der verstiegen-versnobten Rezensionen den Zorn der örtlichen Kinobetreiberin eingehandelt hat, fährt er immer zu den Pressevisionierungen in Lausanne, wo er die mondäne Filmkritikerin Rosa Rouge (Natacha Koutchoumov) kennenlernt. Zwischen den beiden entspinnt sich bald ein abgründiges Spielchen aus Begehren und Dominanz.

Protagonist François, der vom Begehren auf Film gepackt wird, ohne etwas über Kino zu wissen, und dadurch auch die Filmkennerin Rosa Rouge begehrt, ohne viel von der Liebe zu wissen, ist mit der ihn umgebenden Antipathie eine Art Antiheld, mit dem man sich nicht identifizieren möchte. Er ist inkompetent, hochmütig, unaufrichtig und garstig zu seiner freundlichen Freundin - in der erfolgsverwöhnten, etablierten Rosa findet er nun seine Meisterin. Offensichtlich möchte der Film als eine Art Parabel auf Aufstiegswillen, Hochmut und Demut verstanden werden, doch es ist nie ganz klar, ob er die Provinzialität seines Settings - wenn zum Beispiel Lausanner JournalistInnen als Speerspitze des Intellektualismus dargestellt werden - eher ausstellt oder doch bestätigt.

Eine Art Hommage an Truffauts "La sirène du Mississipi" habe er mit seinem dritten Film schaffen wollen, so der aus Lausanne stammende Jungregisseur Lionel Baier. Vom glamourösen Setting des psychologisch hochkomplexen Intrigen-Films mit Catherine Deneuve und Jean-Paul Belmondo in den Hauptrollen, ist der in schlichtem Schwarz-Weiß gedrehte "Un autre homme" freilich so weit entfernt wie der Mississipi vom Lac de Joux. Zu unbedeutend sind die Scharmützel und Verwirrungen der Hauptfiguren, zu wenig nachvollziehbar die Handlungsmotive. Immerhin bekommt man in "Un autre homme" einen zwischen zwei Essstäbchen gehaltenen Hoden zu sehen. Das ist ganz sicherlich ein Novum.

17.02.2024

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