Lemon Tree - Etz Limon Frankreich, Deutschland, Israel 2008 – 106min.

Filmkritik

Wenn das Leben dir Zitronen gibt...

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Als politischen Film möchte er "Lemon Tree" nicht verstanden wissen, gibt Regisseur Eran Riklis in den Pressenotizen zu seinem neuen Film zu Protokoll. Das ist natürlich sein gutes Recht, zumal der israelische Filmemacher gemeinsam mit Suha Arraf auch das Drehbuch schrieb. Aber kurz stutzen darf man doch. Immerhin legt sich in dieser Geschichte der Verteidigungsminister Israels mit einer Palästinenserin an!

Es ist dann allerdings kein militärischer Konflikt, der in diesem auch mit deutschem Geld produzierten Film entflammt, sondern eher ein Zwist unter Nachbarn. Die palästinensische Witwe Salma (Hiam Abbass) jedenfalls lebt schon lange direkt an der Grenze in der West Bank und pflegt dort ihren Jahrzehnte alten Zitronenhain. Mehr hat sie nicht im Leben, und so könnte es auch bleiben, hätte besagter Minister (Doron Tavory) nicht genau das Grundstück nebenan bezogen. Mit einem Mal gilt die kleine Plantage als Sicherheitsrisiko, in dem sich potentielle Attentäter verbergen könnten, und soll deswegen abgerissen werden.Doch während nebenan die Ministergattin (Rona Lipaz-Michael) beim Blick auf das ländliche Idyll vor ihrem Fenster allmählich erkennt, wie langweilig ihr Leben im goldenen Käfig eigentlich ist, erwacht in der zurückhaltend-stillen Salma angesichts der Bedrohung ihres Lebensinhalts wehrhafter Kampfgeist. Sie sucht sich einen jungen Anwalt (Ali Suliman), den sie näher in ihr Leben lässt, als die arabische Konvention es gutheißt, und zieht im Kampf um ihre Zitronen bis vor den Obersten Gerichtshof Israels.

Um die großen Fragen des Nahostkonflikts geht es in "Lemon Tree" tatsächlich nicht, es kommen keine Selbstmordattentäter vor und auch Religion im eigentlichen Sinne spielt kaum eine Rolle. Trotzdem erzählt Riklis, der zuletzt schon mit "The Syrian Bride" für internationale Begeisterung sorgte, viel Aussagekräftiges und damit auch Gesellschaftspolitisches über das alltägliche Leben in Israel. Die fast schon paranoide Haltung des Ministers, die Verunsicherung der ihn umgebenden Soldaten, die patriarchalischen Strukturen der muslimischen Gemeinde oder auch nur die Erkenntnis, dass natürlich auch palästinensischen Israelis die juristischen Mittel zur Verfügung stehen: All das macht die vielschichtige, im Kino nicht immer selbstverständliche Komplexität dieses sensibel und überraschend humorvoll erzählten Dramas aus.

Ganz verkehrt ist Riklis Aussage über den politischen Gehalt seines bittersüßen Films aber natürlich nicht, denn in erster Linie ist "Lemon Tree" tatsächlich das sehr persönliche Porträt einer unerwartet starken Frau. Für diese Salma hat der Regisseur wieder seine grandiose Lieblingsschauspielerin vor die Kamera geholt, die fantastische Hiam Abbass. Nach und nach hat sie sich zu Palästinas einzigem Filmstar entwickelt, mit Steven Spielberg ("Munich") und jüngst Jim Jarmush ("The Limits of Control" startet 2009) gedreht und ist demnächst auch als Nebendarstellerin in "The Visitor" zu sehen. Diese Geschichte aber gehört in jedem Moment ganz und gar ihr - und selbst die Politik stellt sie spielend in den Schatten.

09.10.2008

4

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Kommentare

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patagonia

vor 15 Jahren

so war, so traurig und die wunderbare beeindrückende Hiam Abbas


sternchen10001

vor 15 Jahren

Hiam Abass ist grossartig. Tragisch, dass da tatsächlich eine grosse Mauer quer durch ein Land gezogen wird, welches neben Limonen-Bäumen auch noch andere grossartigen Schätze trägt.

Es ist gross anzurechnen, dass darüber ein Film gedreht wurde!


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