La maison jaune Algerien 2008 – 84min.

Filmkritik

Keine Hektik, keine Panik

Filmkritik: Eduard Ulrich

Bisher war David Lynch sowohl Begründer als auch einziger Vertreter des etwas speziellen Genres des Rasenmähertraktorfilms. Mit einer kleinen Dehnung der Genre-Definition bekommt er nun einen Mitstreiter: Amor Hakkar. Der in Algerien geborene, aber in Frankreich aufgewachsene Regisseur schickt einen Berber-Bauern auf die Reise, auf dass er den Willen seiner Frau erfülle, und spielt ihn gleich selbst

Algerien ist in den letzten Jahren immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil seine politische Entwicklung zwischen Demokratie, Militärregime und Islamismus zu einer bürgerkriegsnahen Situation führte. Nichts von dem sieht man in diesem ruhigen, entspannten Film. Nach einer menschlichen Tragödie zieht sich die Mutter einer mehrköpfigen Berber-Familie zurück, isst und spricht kaum noch. Der Vater muss zunächst einen heiklen Behördengang erledigen, wozu er mit seiner klapprigen Lambretta nach dem ca. eine Tages- und Nachtreise entfernten Batna tuckern muss - und wieder zurück. Dass er nicht lesen kann, macht die Sache nicht einfacher, ob sein Gefährt durchhält, steht vielleicht in den Sternen des tiefschwarzen Nachthimmels.

Bei einer Strassensperre hat er vor Einbruch der Dunkelheit von einem Polizisten statt des zu erwartenden Rüffels für seine beleuchtungslose Karre noch einen dieser quergestreiften Warnblinkkegel bekommen, mit denen Unfälle und Baustellen markiert werden. Den platziert er auf der Ladefläche, was auch im übertragenen Sinn ganz gut passt. Dem in Nacht und Ferne verschwindenden, regelmässig blinkenden, irrlichternden Fahrzeug sieht man gern zu. Wie diese Begegnung mit dem Polizisten verlaufen weitere Begegnungen auf seiner Reise immer wieder ungewöhnlich, ohne je dramatisch zu werden, und die Bilder passen nicht nur perfekt dazu, sondern gewinnen auch eine eigene Qualität. Zu Hause wartet allerdings die schwierige Aufgabe auf ihn, seine Frau wieder ins Alltagsleben zu integrieren. Da lässt er sich einiges einfallen und setzt es mit einer naiven, aber sympathischen Entschlossenheit sofort in die Tat um, ohne die Erfolgschancen abzuwägen.

Der Regisseur als Hauptdarsteller geht vollständig in seiner Rolle auf, aber auch die jeweils nur kurz agierenden Nebendarsteller wirken natürlich. Man muss aber generell eine Einschränkung machen: Was natürlich ist, bestimmen die uns doch recht fremden sozialen und persönlichen Umgangsformen, denn kann man sich vorstellen, dass sich Ehepartner wochenlang nicht einmal berühren, geschweige denn umarmen? Die meist melancholische, passagenweise flamenco-ähnliche Musik ist stimmig eingesetzt und passt zu diesem Film der kleinen Gesten, der in einer gewissen Bescheidenheit nie mehr zu sein vorgibt, als er ist.

14.08.2008

3

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