Gran Torino Australien, Deutschland, USA 2008 – 116min.

Filmkritik

Super-Opi und die Reisfresser

Sonja Eismann
Filmkritik: Sonja Eismann

In seiner neusten Regiearbeit schauspielert Clint Eastwood erstmals wieder. Der rassistische Korea-Veteran, den er hier als Hauptdarsteller gibt, wirkt wie ein Dirty Harry in Rente.

"It feels so good, you knew the Academy would ignore it" heißt es auf der Website der ultrakonservativen "National Review" über Clint Eastwoods neuesten Film. Als Trostpreis für die Nicht-Beachtung bei der Oscar-Verleihung wurde "Gran Torino" von der Redaktion immerhin in ihre "Liste der 25 besten konservativen Filme" aufgenommen - auf Platz 25. Was den Film für reaktionäre Knochen - aber, gemäß dem amerikanischen Presse-Echo, nicht ausschließlich für die - so attraktiv macht, ist schnell erzählt.

Clint Eastwood als frisch verwitweter Walt Kowalski ist die Karikatur eines patriotischen, verbitterten Korea-Veteranen, der 50 Jahre in Detroit bei Ford gearbeitet hat und mit tiefer Verachtung alles und jeden in seinem verblassenden Leben anknurrt. Seine Söhne, die er wegen ihrer vermeintlichen Verweichlichung ablehnt, schnauzt er an, weil sie Japaner fahren. Sein gepflegtes Haus mit Waffenarsenal im Inneren und blitzblank gewienerten 1972er Ford Gran Torino in der Garage schützt Walt wie ein Bollwerk gegen die ethnisch immer stärker diversifizierte Umgebung. Die asiatischen Hmongs, die den Großteil seiner Nachbarn stellen, belegt er mit allen erdenklichen rassistischen Schimpfworten. Aber, so die Logik des Films, das ist gar nicht so schlimm, denn auch andere Minderheiten wie Schwarze und sogar Iren oder Italiener werden von ihm mit den gleichen "liebevoll" ausgespuckten Flüchen bedacht. Na dann!

Durch einen Zufall rettet er einen asiatischen Nachbarjungen vor einer kriminellen Hmong-Gang und freundet sich so widerwillig mit den Nebenbewohnern an. Bald stellt er fest, dass erstens diese "Reisfresser" ja einen viel konservativeren Lebensstil und Familienzusammenhalt pflegen als seine Sprösslinge. Und zweitens, dass der arme Junge dringend mal ein paar Nachhilfestunden in Sachen Männlichkeit braucht. Die folgende Unterrichtung in Bauarbeiter-Slang und männlichen Beleidigungsritualen ist so anachronistisch wie unironisch. Und damit ist auch schon der größte Zwiespalt des Filmes, abseits seiner problematischen Nivellierung von Rassismus, angesprochen: Die Figur des Walt Kowalski ist genau in jenen Bereichen attraktiv, in denen sie völlig gestrig ist.

Wer würde sich in einer Fantasy-Welt nicht einen Super-Opi wie Walt wünschen, der im Ghetto mit eiskalt-grimmigem Gesichtsausdruck den bösen Schwarzen mit der Knarre vor dem Gesicht rumfuchtelt, woraufhin die sofort den Schwanz einziehen? Vielleicht ist der ganze Film ja eine Parodie darauf, wie Dirty Harry mit Ende 70 als grantelnder Rentner leben würde - doch das melodramatische Rührstück über Schuld und Sühne, das sich nicht unspannend darum windet, mag nicht so recht dazu passen.

21.06.2011

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Kommentare

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8martin

vor 2 Jahren

Es ist wohl Clint Eastwoods reifster und vielleicht bisher sogar lustigster Film. Die Reife zeigt sich in der völlig unerwarteten Lösung eines Bandenkrieges. Hier ist die ’Auge-um-Auge-Mentalität‘ out. Das überrascht bei diesem Regisseur schon, wenn man an seine Rollen in den Western denkt. Ja er geht sogar noch einen Schritt weiter, übernimmt die Märtyrerrolle und ebnet so den Weg für eine gesetzmäßige Bestrafung der Übeltäter. Aber es ist auch ein lustiger Film mit Niveau. Selten wurden so blumige Beschimpfungen für den Gesprächspartner gefunden (’Bambusratte’ oder ’Frühlingsrolle’) wie hier und man wird aufgeklärt, dass Fluch nicht gleich Fluch ist, sondern sogar eine freundschaftliche Begrüßung, über die man durchaus schmunzeln kann. Außerdem wird das titelgebende Auto genial eingesetzt. Man kennt die Bedeutung dieses Gefährts von Anfang an und versteht seinen belohnenden Einsatz am Ende. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld, in dem der Film zu Dreivierteln als integrativer Nachbarschaftsversuch zwischen verschiedenen Ethnien daherkommt, um im letzten Drittel dann aber ziemlich heftig zu werden. Die zuvor so treffend gezeichneten Figuren (vor allem auch die Enkel) bewirken, dass man das ungewöhnliche Ende akzeptiert. Eastwood wandelt sich vom traumatisierten, knorrigen Macho zum Märtyrer. Er wird immer besser, nur der eiskalt-mürrische Blick bleibt immer gleich. Unbedingt sehenswert!Mehr anzeigen


Deg89

vor 9 Jahren

Ein Misslungener Mix aus Humor und Drama, der mehr rassistisch rüberkommt als sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen. Ein paar Momente mit Gefühl und sonst nichts.


thebirdone

vor 10 Jahren

Clint Eastwoods beste Regiearbeit. Ein muss für jeden Filmliebhaber. Direkt, kompromisslos und doch irgendwie einfühlsam


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