Fünf Tage ohne Nora Mexiko 2008 – 92min.

Filmkritik

Seilziehen am Sarg

Filmkritik: Eduard Ulrich

Darf man das? Gläubige ziehen in den Krieg, Minarette werden verboten, und da zeigt die noch junge Mexikanerin Mariana Chenillo in ihrem ersten Spielfilm höchst amüsant, wie absurd religiöse Regeln und Rituale sein können und wie man sich darob in die Haare geraten kann. Ist Humor das Mittel zur Lösung derartiger Konflikte?

Das Pessachfest fängt für den überzeugten Atheisten José gut an: Eine Ladung gefrorenes Fleisches landet bei ihm, weil seine Ex-Frau Nora, die in Beobachtungsdistanz entfernt wohnt, dem Lieferanten nicht öffnet. Zuvor sah man Füße und Hände einer alten Frau, die ihre Wohnung aufräumte und umräumte, Sachen aussortierte und verräumte, eine Festtafel deckte und in der Küche hantierte. Was seine Ex dabei vorbereitete, war die Aufstellung für die letzte Schlacht in einem Ehekrieg, der die mehr als 20 Jahre zurückliegende Scheidung überdauerte.

In diese Schlacht zieht sie aber nicht mehr selbst, sie lässt vielmehr Angehörige und Ex-Mann, Angestellte und Repräsentanten ihrer Glaubensgemeinde nach einem ausgeklügelten Plan aufeinander treffen. Den Zündstoff liefern die antagonistischen Interessen: Alle versuchen, ihre eigenen Ziele zu erreichen, die anderen aber genau daran zu hindern, aus Prota- werden sozusagen "Contragonisten". José steht allein gegen die Gläubigen auf verlorenem Posten, so greift er hin und wieder zu recht plumpen Mitteln. Die Palette der Gegenseiten reichen vom Spitzel bis zur stadtweiten Intrige, der Schnellere ist der Geschwindere, das "fait accompli" gewinnt. Ein Vorbereitungsfehler Noras und unvorhersehbare Reaktionen der Spielfiguren lassen das Geschehen aus dem Ruder laufen, bis sich alle gegenseitig blockieren.

Nebenbei erschließt sich die Beziehungs- und Familiengeschichte von Nora und José auch dank Rückblenden wie das Bild eines Puzzles. Aus der Konfrontation der miteinander unvereinbaren Lebensregeln der Religionen schlägt Mariana Chenillo als Drehbuchautorin die meisten situationskomischen Funken und lässt dabei die Glaubensbrüder ganz schön schäbig aussehen. Da heiligt der Zweck fast jedes Mittel, die altruistische, salbungsvolle Attitüde wird als plumpes ökonomisches oder machtpolitisches Kalkül entlarvt. Wenn man dem Film philosophischen Tiefgang unterstellt, weil ein paar Sätze fallen, in denen der Sinn des Glaubens bestritten oder verteidigt wird, tut man ihm jedoch Unrecht: Die Dialoge sind zwar oft witzig, aber die stilsicher und effizient eingesetzten filmischen Mittel sind zusammen mit dem charaktergenau besetzten Ensemble die Stärke dieses kurzweiligen Werkes.

14.01.2010

4

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Kommentare

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kenoman

vor 14 Jahren

"Protagonist" ist rein griechisch, d. h. lateinisch "pro" (= "für") steckt nicht drin, obwohl griechisch "prot(o) -" und lateinisch "pro" historisch verwandt sind. "protos" heisst "erster", "agonistes" heisst "Kämpfer" und "Schauspieler". Bei Fremdwörtern raten ist eben wie Lotto spielen.


2far

vor 14 Jahren

sind das Gegenteil von Antagonisten. Dazu muss man nicht die halblateinische Kreation des Autors bemühen;)


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