Wiedersehen mit Brideshead Italien, Marokko, Grossbritannien 2008 – 100min.

Filmkritik

Reine Liebe kontra religiöse Zwänge

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Im England der Zwischenkriegszeit verliebt sich ein Student aus dem Mittelstand in eine Lady der Upper-Class. Aber nicht Standesdünkel, sondern vielmehr der religiöse Gegensatz zwischen dem atheistischen jungen Mann und der erzkatholischen Familie sorgen in diesem Kostümfilm nach einem Roman von Evelyn Waugh für mehr als nur Spannungen.

"Revisited" - der Titel gibt die retrospektive Erzählhaltung vor: Während des 2. Weltkriegs löst beim Offizier Charles Ryder (Mattew Goode) die Einquartierung seiner Truppe im englischen Schloss Brideshead Erinnerungen aus - zunächst an fünf Jahre und dann an rund 20 Jahre zurückliegende Ereignisse. Damals wurde er als Student aus bürgerlichem Haus von seinem homosexuellen Kollegen Sebastian auf dessen Familiensitz eingeladen.

Nicht nur in ein anderes gesellschaftliches Milieu, sondern auch religiös in eine andere Welt dringt der atheistische Charles so vor. Der Katholizismus ist im prunkvollen Anwesen durch vielfältige Insignien allgegenwärtig, in Person vertreten wird er durch die Mutter (Emma Thompson), die mit ihrer rigiden Haltung ihren Mann (Michael Gambon) längst nach Venedig vertrieben hat, wo er das Leben mit seiner Geliebten geniesst. Auch Sebastian leidet sichtlich unter dem von der dominanten Mutter ausgeübten Druck und droht daran zu zerbrechen. Flucht aus diesen Zwängen sucht er im Alkohol, und Glück verspricht er sich von einer Beziehung zu Charles, der sich jedoch in seine Schwester verliebt.

Nach der mit zwei Golden Globes ausgezeichneten Mini-TV-Serie von 1981, in der Jeremy Irons die Hauptrolle spielte, ist dies die zweite Verfilmung von Evelyn Waughs 1944 erschienenem Roman. Optisch vermag "Brideshead Revisited" mit sorgfältig arrangierten Bildern, mit Kostümen und Dekors und natürlich einem prächtigen englischen Landsitz einiges zu bieten. Was aber wie schon bei Julian Jarrolds letzter Regiearbeit "Becoming Jane" entscheidend fehlt, ist erzählerischer Verve. Kraftlos kommt dieser Kostümfilm daher, brav agieren die Schauspieler, doch bleiben sie mit Ausnahme von Emma Thompson als Mutter und Ben Whishaw als Sebastian weitgehend farblos.

Mehr behauptet als erfahrbar werden so die Emotionen der Figuren. An der Oberfläche bleibt sowohl die Kritik am Katholizismus als auch die Auseinandersetzung mit der lebenslangen Prägung eines Menschen durch Erziehung. Auch die doppelte Klammer, in die die zentrale Handlung eingebettet ist, wird dramaturgisch nicht genutzt, und bis zum Ende schleierhaft bleibt, wieso Charles im inneren Monolog, der die Rückblende einleitet, von Schuld spricht - ein Motiv, das in den folgenden 130 Minuten kaum eine Rolle spielt.

17.02.2024

3

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

kingfisher

vor 15 Jahren

ich sah diesen film auf der piazza am filmfestival locarno. bis zur hälfte hat mir der film gefallen, aber je länger die geschichte dauert umso langweiliger und hölzerner wirken die dialoge. das ganze wirkt eindimensional und entwickelt sich nicht weiter. ich liebe engl. filme, aber dieser taugt leider nichts!Mehr anzeigen


vonfulda1987

vor 15 Jahren

Ich werde mir den Film ansehn, aber ich glaube kaum, dass er auch nur annähernd eine ähnliche Qualität und Vollständigkeit aufweisen kann, wie die Serie mit Jeremy Irons und Anthony Andrews. Schliesslich kann man einen grossartigen Roman, der bereits in einer 11Stunden-Version brilliant und gekonnt verfilmt wurde, nicht einfach mal so auf Spielfilmlänge zurechtstutzen.Mehr anzeigen


crispin

vor 15 Jahren

Habe das Original mit Jeremy Irons und Anthony Andrews gesehen. Bin gespannt, ob der Film an die geniale Miniserie herankommt.


Mehr Filmkritiken

Civil War

Kung Fu Panda 4

Back to Black

Challengers - Rivalen