Young @ Heart Grossbritannien, USA 2007 – 109min.

Filmkritik

Ramones im Rollstuhl

Björn Schäffner
Filmkritik: Björn Schäffner

In "Young @ Heart" covern Achtzigjährige die Talking Heads. Und die Pointer Sisters. Und Sonic Youth. Und die Prediger der ewig-jugendlichen Jetztkultur sollten allesamt den Pflichtbesuch dieses Dokumentarfilms verordnet bekommen. Das wär keine Strafe, sondern ein Geschenk.

Wenn ein Chor aus lauter Greisen den Clash-Slammer "Should I Stay Or Should I Go" singt, dann ist das ein ebenso ungewohnter wie bezaubernder Anblick. Der Filmemacher Stephen Walker beobachtete während sechs Wochen im amerikanischen Bundesstaat Massachussets einen Chor älterer Menschen, die für ein Konzert proben.

Eine zweifellos spannende Grundidee, die der britische Regisseur da hatte. Dass sie nicht ins Gaghafte kippt, ist sein Verdienst: Nicht primär um Originalität bemüht ist der für das BBC gedrehte Dokumentarfilm, sondern an der "condition humaine" interessiert. An Menschen also, Menschen, die im Hinterhof einer jugendfixierten Gesellschaft leben.

Die gemeingängige Vorstellung vom Leben im Alter sieht doch vor, dass man gemütlich im Schaukelstuhl sitzend dem Sonnenuntergang entgegen dämmert. Sich der guten, alten Zeiten erinnert, pausenlos über alle möglichen Gebrechen jammert und tagtäglich die Zeitung nach Todesanzeigen durchkämmt. Morbidität spielt natürlich eine Rolle in "Young @ Heart", aber in ungleich grösserem Masse ist der Streifen von Vitalität durchwirkt.

Da ist zum Beispiel Steve, der ein Herz für schnelle Autos hat und vor lauter Aktivismus schier zu bersten scheint. Da ist Fred, der ungeachtet seines Herzleidens an jeder Probe erscheint, um mit seinem Gesangspartner Bob Coldplays "Fix You" zu proben, der seinerseits an gastrischer Meningitis erkrankt ist. Oder Stan, der es einfach nicht schafft, sich die Lyrics des James Brown-Tracks "I Feel Good" zu merken.

Alle der ergrauten Hobby-Künstler haben mit irgendeinem Leiden zu kämpfen. Und sie teilen sich alle eine Leidenschaft: die Freude am Singen, ganz egal wie talentiert sie sind. So lernen wir, dass die Kraft der eigenen Beine nichts über die Kreativität oder Spontaneität aussagt. Auch wenn das Schreckensgespenst des eigenen Todes ständig über den Häuptern der Protagonisten hängt: Die greisen Hobby-Sänger haben sich eine positive Einstellung zum Leben erhalten. Im Grunde kann man sich doch nichts Besseres wünschen für die Zeit, wenn wir mal 80 Jahre alt sind.

22.09.2008

4

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Kommentare

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vickybarca

vor 15 Jahren

... ich bin gerührt...


malcantone

vor 15 Jahren

Fröhlicher Film oder trauriger Film? Das ist die Frage.


neneli

vor 15 Jahren

In mir hat der Film eine Mischung aus Freude und Zuversicht und Traurigkeit heraufbeschworen... Es waren also irgendwie bewegende zwei Stunden: heutzutage eine Seltenheit!


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