Yella Deutschland 2007 – 90min.

Filmkritik

Lost in Transition

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

"Geh weg" zischt eine Frau Yella an, als die an ihrer Tür klingelt. "Geh weg" - ein Bild, das bleibt, ein Satz, der sich im akustischen Gedächtnis festkrallt, ein Impuls, den man nachfühlen kann und dem man auch gerne einmal in all seiner irrealen Unhöflichkeit nachgeben würde.

Eine Filmszene, die kanonisch werden könnte. Weggegangen ist Yella (Nina Hoss) zu diesem Zeitpunkt der Handlung allerdings bereits sehr weitreichend, eigentlich ist sie Dauergast im Transitzustand. Zunächst einmal ist sie weg aus ihrer Heimat Wittenberge, weg vom geliebten Vater, ihrer Herkunft, ihrem Ehemann und ihrem Buchhaltungs-Job in dessen insolventer Firma. Weg also von allem, das nach Trostlosigkeit und Stagnation riecht, weg vom Unfallhaften ihrer letzten Monate und Tage - endlich angekommen auf der richtigen Seite der Elbe, in der schicken hannoveraner Expo-Welt bei Venture Capital und Leasing-Limousine.

Verstörende Stimmen und Geräusche, Nachklänge ihrer alten Welt hindern Yella daran, ihren Ort zu finden, sich zuhause und sicher zu fühlen. Im Arabischen heisst "Jalla" auch "Beweg Dich". Yellas Leben im permanenten In-Bewegung- und Zwischen-Grenzen-Sein manifestiert sich auf der Bildebene in unzähligen Szenen in Durchgangsräumen wie Zügen, auf Brücken, in Hotelfluren, auf Parkplätzen und im Auto. Seelenlos die wenigen In-Door-Locations, die gläsernen High-Tech-Büros, Tagungsräume und unpersönlichen Hotelzimmer. Viel Teflon also zu den Klängen von Beethovens "Mondscheinsonate", die eigentliche Boarding-Zone aber ist der Fluss, die Elbe als ewiger Übergang.

Christian Petzold spürt wie üblich den Rissen nach, die sich unter der glatten Oberfläche auftun. Die Farbgebung ist dabei nicht wie man erwarten könnte sanft entsättigt, bisweilen beunruhigend bunt erscheint sie - klischeefrei braun die Haare von Nina Hoss, leuchtend rot ihre Bluse und von seltsam sattem Grün die Elbwiesen. Erst im Nachhinein erschliesst sich, wie minutiös durchkomponiert dieser 89-minütige Schwebezustand ist - jedes kleine Detail ergibt plötzlich Sinn, jede Einstellung ist von zwingender Präzision.

Realismus oder Wahrhaftigkeit sollte man also hier ebenso wenig erwarten wie grosses Gefühlskino, der theoretische Überbau schwingt immer mit, genau wie das Bedürfnis, "Filmkunst" zu schaffen. Der ästhetische Anspruch ist beachtlich, die Schauspielleistungen von der dafür mit dem silbernen Berlinale-Bären ausgezeichneten Nina Hoss und von Devid Strisow sind es erst recht und doch gelingt es "Yella" nicht, den gleichen atmosphärischen Sog herzustellen, der etwa den Petzold-Vorgänger "Gespenster" in jeder Minute prägte.

Vielleicht wäre weniger manchmal mehr gewesen und vielleicht überschreitet Christian Petzold mit seinem achten Spielfilm die Grenze zur Manieriertheit ein paar mal zu oft - wenn auch nur in kleinen, fast schwebenden Schritten.

17.02.2024

4

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Kommentare

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pradatsch

vor 16 Jahren

Kann man das Schicksal Yellas, die aus ihren ökonomischen (Schein-) Zwängen irgendwann nicht mehr rausfindet, als Metapher für die möglichen Folgen einer ultraliberalen Wirtschaft ansehen? Wenn ja, ist dem Film hoch anzurechnen, dass er nicht so aufdringlich ist, Alternativen anzubieten.


hayimbaruh

vor 16 Jahren

langweili, pessimistisch...


spechtmeise

vor 16 Jahren

Ein Gedanken-Kunstwerk, langweilig und ausgedacht


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