Stilles Licht Frankreich, Deutschland, Mexiko, Niederlande 2007 – 137min.

Filmkritik

Zwischen Liebe und Glauben

Jean Lüdeke
Filmkritik: Jean Lüdeke

Als verbrämter Existenzialist zeigt sich Regisseur Carlos Reygadas mit seinem Epos über einen mexikanischen Mennoniten, der sich gegen seine Gemeinde und Gott stellt - der Liebe wegen. Eine tragisch-poetische Liebesgeschichte, die momentane Freude bereitet und mächtig Melancholie atmet.

"Silent Light" visualisiert die tragisch Liebesgeschichte eines Mennoniten im Norden Mexikos. Der mit Esther verheiratete Johan ist Bauer, hat 6 Kinder und lebt in einer religiösen Siedlungskolonie, in der Plautdietsch gekauderwelscht wird. Klar, weil er mit einer anderen Frau (Marianne) ein Verhältnis hat und zwei Frauen gleichzeitig begehrt, ist dies hier mit der Todsünde gleichzusetzen. Und so stellt sich der Zerrissene zwangsläufig gegen seine Gemeinde und Gott. Heftige Gewissensqualen treiben Johann in den Hades seiner seelischen Belastbarkeit. Gleichwohl glaubt der Ehebrecher trotz allem, so könne das Paradies auch auf Erden aussehen.

Wie Regisseur Reygadas filmisch mit diesem gravierenden Gewissenskonflikt umgeht und ihn in Szene setzt, macht ihn als Filmemacher zum Unikat. Da erschlagen einen zunächst einmal die unendlichen, an die narrativen John-Ford-Westerner erinnernden Cinemascope-Bilder einer desolaten, aber umso grandioseren Landschaft endloser weiter Felder unter glutrotem Himmel. Der Liebe Gott persönlich scheint hier hinter der Kameralinse gestanden zu haben, vor allem, weil alles einer erhabenen Weite und Stille, in episch verlangsamten Takes gebannt und gedeutet wird. Gott ist also doch nicht tot, vielmehr offenbart er sich hier naturalistisch, puristisch und paritätisch. Auch die Physiognomien der kleinen Menschen, die auf den Äckern schuften, sind ernst, ehrlich, vor allem aber gläubig; sie drängen ungewollt in schier endlosen Einstellungen auf Fragen nach Sinn und Unsinn der menschlichen Existenz.

Und diese kleinen Menschen verstören den Betrachter mit scheinbar marginalen Anekdoten, mit situativen Sequenzen des minimalen Glücks: Schöne, scheppernde Musik aus dem senilen Radio, Johan dreht dazu mit dem Auto mehrfach im Kreis herum. Und natürlich ebenso Momente unerträglicher Leichtigkeiten des Scheins, wenn Jaques Brel minutenlang singt, wie aus dem Off. Nihilistisch dann auch das Szenario, wie die schreckliche Verzweiflung am Strassenrand im strömenden Regen sich erbricht, wie nichts deutlich zu erkennen ist. Das sind die wütenden traurigen Szenen in diesem schön schrecklichen Film: Er bereitet momentane Freude und atmet trotzdem mächtig Melancholie.

17.02.2024

3

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Kommentare

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sternchen10001

vor 15 Jahren

noch selten hab ich so einen langatmigen Film gesehen... sehr lange Einstellungen... sehr wenig Dialoge..
Zum Glück lief er im Vorabendprogramm.. in einer Nachtvorstellung wäre ich eingeschlafen.


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