Mein Bruder ist ein Einzelkind Frankreich, Italien 2007 – 105min.

Filmkritik

Bruderhass und Bruderliebe

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

In seiner Parabel von den Brüdern, die sich distanzieren und doch finden, die sich hassen und doch lieben, spiegelt Regisseur Daniele Luchetti ein Stück italienischer Zeitgeschichte wieder. Das zwischenmenschliche Gesellschaftsdrama wurde mit vier Davids, den italienischen Oscars, ausgezeichnet. Es wirkt sehr authentisch und spricht Kopf und Bauch an.

Der Strom italienischer Filme, die in die Deutschschweiz kommen, hat in den letzten Jahren abgenommen, ist zu einem Rinnsal geworden. Vor allem fehlen Werke, die sich engagiert mit der Zeit- und Sozialgeschichte befassen. Sie sind an einer Hand abzuzählen. An Filmen mit sozialpolitischem Zündstoff versucht "Mio fratello è figlio unico" anzuknüpfen.

Schauplatz sind die sechziger und Siebzigerjahre. Stichwort Neofaschismus, Rote Brigaden. Zwei Brüder stehen im Fokus. Sie verkörpern zwei politisch-gesellschaftliche Haltungen. Manrico (Riccardo Scamarcio) ist ein Bruder Leichtfuss, er wird als Arbeiterführer bewundert. Er engagiert sich und radikalisiert sich. Der jüngere Bruder Accio (Elio Germano) dreht sein Fähnlein nach dem Wind und schlüpft in die Rolle eines Faschisten, einzig und allein, um es seinem Bruder zu zeigen. Trotz und Opposition sind seine Triebfedern. Nach einigen handfesten Auseinandersetzungen erkennt er, dass er auf falschem Weg ist.

Aber nicht seine Entwicklung, nicht politische oder gesellschaftliche Kontroversen oder Konflikte sind eigentliches Thema des Brüderclinchs von Daniele Luchetti. Ihm geht es um "Menschen, die lieben, leiden, lachen - und sich politisch engagieren". Das kann alles und nicht viel sein. Hier sind es ein, zwei Liebesgeschichten. Etwa die von Accio. Die Wende in seinem Leben bewirken eigentlich nicht eigene Erkenntnis oder Vernunft, sondern die hübsche Francesca (Diane Fleri), die Freundin Manricos, in die sich Accio verliebt.

Regisseur Luchetti hat den Schauspielern bewusst freien Raum gelassen, liess sie gewähren, um möglichst viel Spontaneität und Authentizität einzufangen. Das verleiht dem dokumentarisch gefärbten Film Zug und Glaubwürdigkeit, aber auch eine gewisse Ungelenktheit und Sprunghaftigkeit. Es ist kein runder Film, er bleibt vage. Und der Schluss biegt etwas zusammen, was zerrissen und zerbrochen ist. Insgesamt ein filmisches Unterfangen, das nur begrenzt verfängt und am breiten Kinopublikum vorbeigeht.







17.02.2024

3

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Kommentare

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ariman

vor 16 Jahren

Der Film bestätigt zwar (fast) alle Vorurteile, die man sich für Italien in den Sechzigern gemeinhin hat - trotzdem erfrischend, glaubhaft, witzig und deshalb absolut sehenswert.


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