CH.FILM

Madonnen Belgien, Deutschland, Schweiz 2007 – 120min.

Filmkritik

Eine Mutter, die ihre Unabhängigkeit liebt

Sarah Stähli
Filmkritik: Sarah Stähli

Eine gute Mutter zu sein, wird von einer Frau automatisch erwartet; dass sie für ihr Kind Liebe empfindet, gar nicht erst in Frage gestellt. Was, wenn eine junge Frau aber ihre Freiheit genauso liebt wie ihre Kinder?

Rita, die Protagonistin in "Madonnen", ist so eine Frau. Als Mutter von fünf Kindern, jedes von einem anderen Mann, versucht sie den schwierigen Balanceakt zwischen Ungebundenheit und Aufopferung. Mit ihrem jüngsten Sohn reist sie nach Belgien, um ihren Vater aufzusuchen und landet schliesslich im Gefängnis. Nach der Freilassung versucht Rita auf Biegen und Brechen, mit ihren Kindern und ihrem Freund, einem in Deutschland stationierten US-Soldaten, einen normalen Alltag aufzubauen. Dabei hält sie unverfroren an ihrer Unabhängigkeit fest: «Wenn es mir hier nicht passt, hau ich einfach ab,» lautet ihr Credo.

Der unbequeme Film der deutschen Regisseurin Maria Speth untersucht gewohnte Rollenmodelle und deutet den Begriff «Rabenmutter» nie auch nur an. Fernab jeder Wertung bleibt ihre Inszenierung in einer beobachtenden Perspektive. Die minimalistische Filmsprache verlangt vom Zuschauer einiges an Geduld. Speths kompromissloser Realismus hat etwas Überhöhtes, so penetrant wird auf jegliche emotionalisierende Stilmittel verzichtet. Die Sonne scheint so gut wie nie in dieser Welt voller uneingerichteten Wohnungen und pappigen Take-Away-Pizzen. Der Familienausflug ans Meer ersäuft im Dauerregen.

Dass "Madonnen" nicht der Tranigkeit verfällt, liegt zu einem grossen Teil an Sandra Hüller. Sie verleiht Rita eine geheimnisvolle Tiefe und füllt die Figur mit Leben: Wenn sie am Esstisch vor Lachen grundlos losprustet oder ihr unbemerkt eine stille Träne die Wange herunterläuft. Hüller schafft es erneut meisterhaft, im Zuschauer eine Mischung aus Unverständnis und Mitgefühl hervorzurufen.

Speths Inspiration sei ihr eigenes Muttersein gewesen. Seine eigenen Interessen weiterverfolgen oder sich ganz dem Wohl des Kindes unterordnen? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht - Filme, die sich mit dem Thema beschäftigen, hoffentlich umso häufiger.

27.10.2020

4

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