Lars und die Frauen USA 2007 – 106min.

Filmkritik

Wenn das Sexspielzeug im Rollstuhl sitzt

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Im Trubel um «Juno», der in den USA seit Wochen sensationelle Zuschauerzahlen schreibt und kürzlich mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, ging eine weitere Independent-Komödie ein wenig unter. Dabei weist «Lars and the Real Girl» ganz ähnliche Stärken - und auch Schwächen - auf wie die Konkurrenz.

Die Geschichte, für die Drehbuchautorin Nancy Oliver (bekannt durch die Serie «Six Feet Under») übrigens ebenfalls für den Oscar nominiert wurde, ist hier eine ganze Ecke skurriler. Der leicht sonderliche Einzelgänger Lars (Ryan Gosling), der schon seit seiner Kindheit in jeder Beziehung des Wortes an Berührungsängsten leidet, bestellt sich im Internet eine Gummipuppe.

Doch Sexuelles hat der stille Mittzwanziger nicht im Sinn. Für ihn ist seine neue Freundin Bianca eine an den Rollstuhl gefesselte, brasilianische Missionarin, die er bei seinem Bruder und dessen Frau (Paul Schneider und die hinreißende Emily Mortimer) im Gästezimmer einquartiert und in die Kirche genauso mitnimmt wie zum Bowlen. Eine verständnisvolle Ärztin und Psychologin (Patricia Clarkson) untersucht sowohl Bianca als auch Lars, und während die stumme Frau aus Silikon irgendwann unheilbar erkrankt, scheint es für ihren ähnlich stillen Freund bald ganz neue Heilungschancen zu geben.

Die originelle Ausgangsidee und Olivers Dialoge sind ebenso reizvoll wie clever, und Regisseur Craig Gillespie inszeniert «Lars und die Frauen» mit feinem Gespür für Tragikomik und die Skurrilitäten einer Kleinstadt. Die Protagonisten - allen voran natürlich den Sonderling Lars - zeichnet er liebevoll und mit viel Respekt, wo es doch ein Leichtes gewesen wäre, sich über sie lustig zu machen. Zum vollen Erfolg tragen schließlich aber die Schauspieler bei: Emily Mortimer und die wunderbare Patricia Clarkson sind in ihren Nebenrollen, wie immer, ganz hervorragend, und der höchst talentierte Ryan Gosling in der Titelrolle, rechtfertigt einmal mehr die großen Erwartungen, die Hollywood in ihn setzt.

Doch genau wie die überzeugenden Darsteller und ein kurioser Plot typisch sind für das derzeitige amerikanische Independentkino à la «Juno» und «Little Miss Sunshine», sind es auch die Schwächen, mit denen «Lars and the Real Girl» zu kämpfen hat. Der unbedingte Wille, charmant, liebenswürdig und skurril sein zu wollen, ist nie zu übersehen, was auch dazu führt, dass für Realismus und Glaubwürdigkeit nicht immer Platz ist. Die Engelsgeduld und das durch und durch positive Mitgefühl, mit dem Lars' Mitbewohner ihm begegnen, ist letztlich genauso naiv und weltfremd wie die beinahe völlige Ausblendung aller sexuellen Konnotationen, die diese Geschichte nahe legen würde. So gerät «Lars und die Frauen» mitunter bedenklich in die Nähe von zuckriger Biederkeit - man verzeiht ihm nur, weil der Rest des Erfolgsrezepts so schön leichtfüßig aufgeht.

29.02.2012

4

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Kommentare

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Janissli

vor 5 Jahren

Echt tolles Liebes-Drama, eine ganze Stadt setzt sich tatkräftig für die mentale Gesundheit eines ihrer Bürger ein. Gut gespielt und ziemlich abgedrehte Story.


Barbarum

vor 8 Jahren

Trotz der schrägen Grundidee, geht der Film vor allem ans Herz.


1234jopy

vor 9 Jahren

Lustig erzählte traurige Geschichte.


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