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Elisabeth Kopp - Eine Winterreise Schweiz 2007 – 88min.

Filmkritik

Elisabeth Kopp - Eine Winterreise

Simon Spiegel
Filmkritik: Simon Spiegel

Das Schicksal der ersten Schweizer Bundesrätin weiss noch heute zu polarisieren. Die Öffentlichkeit hat Elisabeth Kopp noch immer nicht verziehen, und sie selbst sieht sich nach wie vor als das weitgehend unschuldige Opfer einer üblen Schmierenkampagne.

Kopps Rehabilitierungsbemühungen haben sich in letzter Zeit zunehmend verstärkt; in diversen Zeitungen kam die alt Bundesrätin zu Wort und legte einmal mehr ihre Sicht der Ereignisse dar, die schliesslich zu ihrem Rücktritt am 12. Dezember 1988 führten. Andres Brütschs Film, der an den Solothurner Filmtagen Premiere feierte, ist der vorläufig letzte und aufwendigste Versuch, Kopps Ruf wiederherzustellen.

Mit seinem Titel und der Ankündigung, gemeinsam mit Kopp wichtige Stationen in ihrem Leben zu besuchen, betreibt der Film einen kleinen Etikettenschwindel. Denn obwohl Kopp meist im fahrenden Wagen zu Wort kommt, strukturiert die Reise den Film eigentlich nicht. Die kurzen Besuche beim Haus der Kindheit oder im langjährigen Ferienort der Kopps tragen wenig bei. Kopp könnte genauso gut - wie sie es am Schluss auch tut - zu Hause sitzen und Auskunft geben. Den Grossteil des Films macht ohnehin historisches Bildmaterial aus.

Noch einmal rollt Brütsch die ganze Geschichte auf: Die Geschichte der Frau, die vor allem aus Pflichtgefühl in die Politik ging, die alles perfekt machen wollte, schliesslich für den Bundesrat kandidierte und nach einer ersten Medienkampagne gegen sich - und vor allem ihren Mann - mit einem Glanzresultat gewählt wurde. In diesen frühen Teilen, gewissermassen dem Prolog der eigentlichen Kopp-Affäre, ist Brütschs Film am interessantesten, weil hier deutlich wird, wie sehr sich die Schweizer Politik und auch die Berichterstattung darüber in den letzten dreissig Jahren geändert hat.

Es folgt das berüchtigte Telefongespräch, das Kopp schliesslich ihr Amt kosten wird. Detailliert dröselt der Film auf, wie aus einer relativ belanglosen Angelegenheit eine Staatsaffäre wurde. Kopp hat die Ereignisse von damals noch immer nicht überwunden. Mit tränenerstickter Stimme erklärt sie einmal mehr, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei und dass die anschliessende öffentliche Ächtung weitaus mehr geschmerzt habe als der eigentliche Rücktritt. Zwar sieht sie heute zumindest teilweise ein, dass sie sich ungeschickt verhalten hat, missverstanden und ungerecht behandelt fühlt sie sich - wohl zu Recht - aber nach wie vor.

Brütsch schlägt sich in seinem Film ganz auf die Seite Kopps und erzählt die Ereignisse aus ihrer Sicht. Dabei konzentriert er sich ausschliesslich auf die historische Figur und lässt die Privatperson fast völlig aussen vor. Auch über Kopps Mann, um den sich die meisten Vorwürfe drehten, erfährt man kaum etwas. Dieses Vorgehen ist legitim, zeigt aber keine neuen Einsichten; wahrscheinlich ist dies im Fall Kopp aber ohnehin nicht möglich. Wer einigermassen über die Kopp-Affäre informiert ist oder in den letzten Monaten einen der zahlreichen Artikel zum Thema gelesen hat, wird auf jeden Fall wenig Neues erfahren.

07.06.2021

4

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film genügend.


pink26

vor 16 Jahren

Ich finde den Film gut. Endlich sieht man dass Frau Kopp von Neidern und Missgünstlingen umgeben war. Ein Mann wäre nie so gemein behandelt worden!
Danke Herr Brütsch


chyle

vor 16 Jahren

Ich finde durchaus, dass der Film die Kopp-Geschichte von einem besonderen Aspekt aus beleuchtet: Elisabeth Kopp, die ich als eher trocken und kühl in Erinnerung habe, wird als Mensch etwas näher und fassbarer gezeigt. Durch diesen persönlichen Blickwinkel ist es mir leichter gefallen, sie als Menschen zu sehen, der einen Fehler gemacht hat, anstatt nur als Bundesrätin, die im Filz der Finanzwelt geraten ist. Ich fand den Film gut und interessant.Mehr anzeigen


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