Control Australien, Japan, Grossbritannien, USA 2007 – 122min.

Filmkritik

Schein zum Tode

Pascal Jurt
Filmkritik: Pascal Jurt

Der niederländische Fotograph Anton Corbijn hat vor 30 Jahren Fotos von Joy Division und Ian Curtis gemacht. Mit seinen grobkörnigen Schwarz-Weiss-Bildern wurde er zum Chronist des Postpunks. Das Biopic "Control" über das kurze Leben des Joy Division-Sängers Ian Curtis ist sein Debüt als Regisseur.

Erzählt wird die Geschichte des von Eheproblemen und Epilepsie geplagten Sängers Ian Curtis (Sam Riley), der sich mit 23 das Leben nahm. Dass der Film mit seinen monochromen Bildern selbstverständliche toll "fotographiert" ist, versteht sich von selbst. Es wird nicht noch einmal verklärend die Geschichte einer grossen Band erzählt. Die beiden Bandmitglieder, der Bassist Peter Hook und Gitarrist Bernard Sumner lebten in Salford, Drummer Stephen Morris und Ian Curtis weit ausserhalb Manchesters in Macclesfield.

Corbijn schafft es, die Tristesse und den banalen Alltag englischer "lads" in Bilder zu übersetzen. In der tristen, proletarisch geprägten Kleinstadt im Norden Englands spannt Ian Curtis, Sohn eines Polizisten und Fan von Lou Reed, David Bowie und Iggy Pop seinem Buddy die Freundin Deborah (Samantha Morton) aus. Man sieht den kajalgeschminkten schlaksigen 17jährigen alten Leuten das Psychopharmaka aus ihren Medizinkasten klauen. Ab und zu schreibt er auch mal ein Gedicht. Kurz darauf heiratet er mit 19 Jahren Deborah, arbeitet in einem deprimierenden Behördenjob und spielt halt auch noch in einer Band. Das Tragikpotential des überdeterminierten Selbstmordes wird nicht bis zum Boden ausgeschöpft. Ian Curtis ist nicht das existenzialistisch, an den Verhältnissen leidende Künstlersubjekt, sondern einfach ein trauriger Junge aus der Working Class.

Jedoch ist der Film zu stark auf die Liebesgeschichte zugespitzt. Die "gender performances" sind äusserst fragwürdig. Die Ehefrau Deborah kommt stumpf als pausbäckiges Heimchen am Herd rüber, seine Geliebte, Annik Honoré (Alexandra Maria Lara) arbeitet in der belgischen Botschaft in London und schreibt nebenher für ein Fanzine. Bei einem Interviewtermin sagt er zu ihr: "Klingt interessant. Eine freie, unabhängige Frau." Alles gebongt?

Den Kult um Ian Curtis durch die banale anekdotenhafte unpsychologische Erzählweise zu entsakralisieren ist ein Verdienst des Filmes; formal arbeitet Corbijn aber mit seinen dramatisch stilisierten Hochglanzbildern und der Kitchen Sink-Ästhetik weiterhin am Mythos. Wirklich überzeugen kann "Control" nicht, die Fans bekommen jedoch, was sie wollen. Der 2002 gedrehte "24 Hour Party People" von Michael Winterbottom ist näher dran. Vielleicht sieht der Factory-Chef Tony Wilson auch deshalb bei Corbjin 1:1 aus wie in Winterbottoms Hommage.

17.02.2024

3

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

stilvolle film vom holländischen fotograf anton corbijn


gimir

vor 16 Jahren

Schweizer Kinostart
24. 04. 2008


lumarje

vor 16 Jahren

weiss jemand wann man diesen von mir sehnlichst erwarteten Film hier zu sehen gibt? ich weiss jetzt schon das ich ihn mehr als 2 mal anschauen gehen werde.


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