2 Tage Paris Frankreich 2007 – 96min.

Filmkritik

Hysterikerin und Hypochonder in der Stadt der Liebe

Filmkritik: Stephan Sigg

Die Französin Marion und der Amerikaner Jack sind ein Paar. Auf ihrer Reise durch Europa machen sie Halt, um Marions Eltern zu besuchen. Doch von Romantik keine Spur, denn das wortgewaltige Paar scheint ohne Entgleisungen nicht leben zu können.

Der zweitägige Aufenthalt in Paris sollte für Marion (Julie Delpy) und Jack (Adam Goldberg) der Schlusspunkt einer längeren Europareise werden. Doch Jacks erste Begegnung mit seinen Schwiegereltern in spe (gespielt von Delpys richtigen Eltern Marie Pillet und Albert Delpy) läuft alles andere als harmonisch ab. Die exzentrischen Hippie-Oldies machen dem sensiblen Hypochonder mit ihrer derb-direkten Art ganz schön zu schaffen. Zu den Sprachproblemen gesellen sich diverse kulturelle Differenzen. Im Gegensatz zu Marions Eltern, die alles mit Humor nehmen und sich auch über Nacktfotos von ihrem künftigen Schwiegersohn amüsieren, fühlt sich Jack immer unwohler in seiner Haut. Dass dann auch noch reihenweise Ex-Lover von Marion auftauchen, lässt Jacks strapazierte Nerven Amok laufen.

Julie Delpys Film, bei dem sie nicht nur eine Hauptrolle spielt, sondern auch für das Drehbuch und die Regie verantwortlich ist, ist eine witzige Komödie, die von Anfang bis Schluss begeistert. Wegen eines kleinen Budgets wurde der erste abendfüllende Spielfilm Delpys in schnellem Tempo und mit einer HD-Kamera gedreht. Die Mitwirkenden setzten auf Spontaneität. Eine Dynamik, die sich auf den Zuschauer überträgt und ihn mitreisst bei der wilden Tour von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen.

Es macht Spass, die Wortgefechte des theatralischen Paars zu verfolgen. "2 Days in Paris" ist ein Feuerwerk von Wortwitz, frechen Zweideutigkeiten und intelligentem Humor. Aber auch die schauspielerischen Leistungen überzeugen. Etwas deplaziert und zu zerbrechlich wirkt da nur Daniel Brühl ("Die fetten Jahre sind vorbei"), der in den schrill-lauten Reigen irgendwie überhaupt nicht hineinpasst.

Zwar klingt der Titel nach einer seichten Liebeskomödie, doch in Wahrheit ist der Film eine bissig-scharfe Abrechnung mit den Klischees der Liebe, Beziehungsproblemen, der heutigen Gesellschaft, den Kulturcrashs und - natürlich - mit Präsident Bush und überspannten US-Moralkodexen. Ob Rassismus, Antisemitismus und Sexismus, die Menschen in Delpys Film brechen fast in jedem Satz ein Tabu. Auch der Feminismus bekommt sein Fett weg. Und selbst der Schluss wird mit ironischem Zwinkern auf intelligente Weise gelöst.

Sind 2 Tage in Paris Romantik pur? Vielleicht für manches normale Pärchen, aber bestimmt nicht für einen amerikanischen Hypochonder und eine Hysterikerin aus einer französischen Hippie-Familie. Solche Filme wünscht man sich noch öfters zu sehen.

07.06.2021

5

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film gut.


Gelöschter Nutzer

vor 16 Jahren

Dass Julie Delpy keinen Film drehen würde, der einen langen, bleibenden Eindruck hinterlässt, war mir klar. Doch leider fehlte statt einem bleibenden Eindruck auch der Witz. Anfangs noch recht lustig, verging einem nach einer halben Stunde im Kinosessel das Lachen. Viel zu überzeichnete Charaktere und Macken, die wohl keiner in einer Beziehung aushält - vor allem die Französin geht einem gegen den Schluss ganz schön auf den Wecker...Mehr anzeigen


enri

vor 16 Jahren

Der Film ist in keiner Weise authentisch, denn so wie im Film gezeigt verhalten sich Franzosen niemals. Für meinen Geschmack auch zu tief unter der Gürtellinie und primitiv. Zu überdreht künstlich um als Abrechnung herzuhalten. Im Kino hat auch niemand gelacht. Wir sind in der Pause gegangen.Mehr anzeigen


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