Der letzte König von Schottland Grossbritannien 2006 – 123min.

Filmkritik

Idi Amin gaga

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Kevin Macdonalds Film «The Last King of Scotland» basiert auf dem gleichnamigen Roman von Giles Foden, in dem Aufstieg und Hybris des ugandischen Diktators Idi Amin Dada durch die Augen der fiktiven Figur seines schottischen Leibarztes geschildert werden. Dies ergibt einen aufregenden Mix aus Psychopathenstudie, Biopic, Seifenoper, Ethnokitsch, Horrorfilm und engagiertem Politthriller. Ein Plus auf der Leinwand ist Darsteller Forest Whitaker, der mit wildem Augenrollen und grausamen Teekränzchen-Scherzen Idi Amin Dada überzeugend in die Galerie der durchgeknalltesten Filmschurken einschreibt.

Fast 90 Minuten dauert im Kino der blutige Exzess «Seiner Exzellenz, Präsident auf Lebenszeit, Feldmarschall Al Hadji Doktor Idi Amin Dada» (Forest Whitaker). Zum Schluss schenkt uns Regisseur Kevin Macdonald dann aber doch noch ein Hollywood-Ending: Schwer verletzt schleppt sich der schottische Leibarzt Idi Amins, Nicholas Garrigan (James McAvoy), Richtung Flugzeug, das ihn aus dem Bannkreis des fürchterlichen Tyrannen bringen soll. Auch der Einstieg in die Geschichte von «The Last King of Scotland» verläuft konventionell. Da reist in den 70er Jahren ein junger, idealistischer schottischer Arzt nach Uganda, um hier als Entwicklungshelfer ein zünftiges Abenteuer zu erleben. Als er sich auf der Krankenstation in Sarah Merrit (Gillian Anderson), die Frau des Missionsleiters, verliebt, kommt ein Angebot des frisch an die Macht gekommenen Idi Amins gerade recht. Er soll künftig die Gesundheit des bulligen Diktators (sowie die seiner diversen Frauen und Kinder) überwachen, und das ist bedeutend verlockender, als im Busch Impfspritzen aufzuziehen und um die Gunst einer verhärmten Entwicklungshelferin zu buhlen.

Garrigans Rezepte und Methoden sind durchschlagend: So löst er beispielsweise die Verdauungsbeschwerden seines Patienten mittels Baseballschläger. Fürze wie Donnerschläge sind die Folge. Amin ernennt ihn daraufhin zum persönlichen Berater. Bald leitet der Schotte das Idi-Amin-Unispital. Sein Einfluss steigt, weshalb er von Idi ein Mercedes-Cabrio geschenkt bekommt. Wein, Weib und Gesang ... alles scheint ein Spiel. Wie ein Schlafwandler taucht der Arzt ein in die seltsame Welt des zuweilen charmanten, dann wieder bösartigen Grossmauls, das keine Gelegenheit auslässt, sich mit der ganzen Welt anzulegen. Als Schotte gefällt Garrigan die antikolonialistische, antienglische Attitüde seines ugandischen Chefs ausgezeichnet. Nach echten und eingebildeten Attentaten beginnt sich das Gemüt des aufbrausenden Diktators aber zu verfinstern. Mit unbeschreiblicher Grausamkeit rächt sich Amin an seinen Feinden. Er wirft die Opposition den Krokodilen zum Frass vor und futtert bei Bedarf schon mal persönlich Körperteile seiner Gegner. Vor seiner Wut sind nicht einmal seine allernächsten Berater sicher. Paranoia bestimmt fortan seine Politik. Und Uganda, die Perle Afrikas, wird zum Knochenhaus. Zwangsläufig werden auch Garrigans Augen geöffnet. Schliesslich wird ihm das Leid und die Gewalt zu viel.

Mal erinnert das Paar Amin-Garrigan an Dick und Doof, wahlweise auch ans Gespann Colonel Kurtz und Captain Willard aus «Apocalypse Now». Wer es klassisch mag, der nennt die Namen Faust und Mephisto. Und wie einst bei Goethe ist das Böse auch im Staate Uganda des 20. Jahrhunderts weit spannender als das verführte Gute. Wir können uns nicht sattsehen an diesem Idi Amin gaga, den Forest Whitaker mit erdrückender Präsenz verkörpert. Diese Darstellung drückt dem letztlich zwiespältigen Film seinen Stempel auf. Hatten die Macher - Ex-Dokumentarfilmer Kevin MacdonaldOne Day in September», «Touching the Void») und Autor Peter MorganThe Queen») - möglicherweise ursprünglich ein engagiertes Politdrama beziehungsweise eine akkurate Historienverfilmung im Sinn, muss ihnen ab einem gewissen Zeitpunkt ganz einfach das Grand-Guignol, die grosse Horrorshow, aus dem Ruder gelaufen sein. Für seinen Anteil an diesem Blutfest, seine exzentrische One-Man-Show ist Forest Whitaker in der Oscarnacht zu Recht ausgezeichnet worden. Alle Welt darf sich seitdem wohlig vor diesem Idi Amin gruseln, der sich endlich gleichberechtigt zwischen Obelix, Hannibal Lecter und Gargantua im Popfiguren-Kabinett wiederfindet. Wie gerecht das der Wirklichkeit Ugandas, der schrecklichen Geschichte dieses geschundenen Landes wird, ist schwer abzuschätzen. Als rasanter Achterbahnritt durch die kranke Welt eines machtgeilen und paranoiden Schlächters lohnt sich «The Last King of Scotland» aber allemal.

10.11.2020

4

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Kommentare

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Tatschi82

vor 11 Jahren

Ganz grosses Kino, mit einem sensationellen Forest Whitaker und einem nicht weniger überzeugenden James McAvoy. Klasse!


movie world filip

vor 12 Jahren

super whitaker und gerade wüssten wir auch das wir james mcavoy öfter sehen würden, starke leistungen, gute film


gubler

vor 16 Jahren

... alleine wegen Oscar-Gewinner Whitaker.


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