Anderland Island, Norwegen 2006 – 95min.

Filmkritik

Unschöne neue Welt

Sarah Stähli
Filmkritik: Sarah Stähli

Willkommen in einer Welt, in der es keine Gerüche, Geschmäcke oder Gefühle gibt, weder Kinder noch den Tod; in einer Welt, in der Alkohol keine Wirkung zeigt, Küsse kalt lassen und den Menschen Empfindungen wie Mitgefühl und Liebe hinter einer freundlichen Fassade verloren gegangen sind.

An einem solchen Ort findet sich der unwissende Protagonist (Trond Fausa Aurvaag) des Filmes wieder - ausgespuckt aus einem Reisebus. In der anonymen Stadt, die sein neues Zuhause werden soll, wartet bereits eine möblierte Wohnung und Arbeit in einem Büro auf ihn. Die Frau (Petronella Barker), in die er sich verliebt, interessiert sich jedoch mehr für die Einrichtung ihrer sterilen Wohnung als für echte Gefühle. Immer stärker sehnt sich der junge Mann nach einem Kinderlachen und heisser Schokolade, die schmeckt wie heisse Schokolade. Als er eines Tages aus einem Kellerloch bezaubernde Klänge hört, nimmt die Sehnsucht nach Sinnlichkeit Überhand. Doch wer die funktionierende Gesellschaftsordnung stört, wird ausgeschafft. Die grauen Herren, die für Recht und Ordnung sorgen, sind nie weit.

"The Bothersome Man" des Norwegers Jens Lien bewegt sich zwischen gesellschaftskritischer Zukunftsvision und unheimlichem Alptraum. Die Parallelwelt ist in kunstvolle Bilder verpackt, die an die Fotografien Jeff Walls erinnern. Doch so klinisch der Ort ist, an dem sich der "lästige Mann" befindet, so klinisch und glatt ist über weite Strecken auch der Film. Der Protagonist, die einzige Figur inmitten dieser Menschmaschinen, mit der man sich als Zuschauer identifizieren könnte, bleibt unnahbar.

Der Regisseur bezeichnet seinen zweiten Langspielfilm als Fabel und «Horrofilm in einer Allerweltsumgebung». Mit den ausgeblichenen Farbtönen und einem Dekor, das die innere Leere der Protagonisten widerspiegeln soll, habe er eine ähnliche Atmosphäre schaffen wollen, wie die in den Filmen des Schweden Roy Andersson. Das ist ihm nur teilweise gelungen. Was bei Andersson surreale filmische Glanzmomente sind, wirkt bei Lien oft zu konstruiert. Am magischsten sind die Momente, in denen der Regisseur ganz auf die Skurrilität vertraut: wenn sich zwei Tennisspieler inmitten des nebligen Niemandslandes einen Match liefern, oder die Sequenzen im Kellergewölbe, in denen das Türchen zur alten Welt einen verlockenden Spalt weit aufgestossen wird.

12.11.2007

4

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film gut.


jamo

vor 16 Jahren

Komische, düstere Komödie. Einfach genial umgesetzt von Jens Lien. Muss man einfach gesehen haben.
Solche Filme sollte es viel mehr geben.


pradatsch

vor 16 Jahren

Ein Film, versehen mit den Motiven der Hölle aus der jüngeren Kulturgeschichte: Da trifft man die Grauen Männer aus Endes Momo, das vielversprechende Mauerloch aus Being John Malkovich, Existenzialistisches nach Sartre ("l'enfer, c'est les autres") und übertriebene Schockerszenen wie in Cube: Kommt das alles an Dantes Inferno ran?Mehr anzeigen


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