Shut Up & Sing USA 2006 – 92min.

Filmkritik

Hexenjagd im Bush-Country

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Als George Bush einen Krieg gegen den Irak anzettelt, flutschte der Leadsängerin der Dixie Chicks heraus, dass man sich für diesen Präsidenten schäme müsse. In den USA entfachte diese Aussage einen Sturm der Entrüstung und Anfeindung. Der Dokumentarfilm "Shut Up & Sing" beschreibt, wie die Dixie Chicks damit umgingen. Ein bemerkenswertes Zeitdokument - in mancherlei Hinsicht.

Eine erboste Amerikanerin brachte die Meinung konservativer Kreise auf den Punkt: "Shut up and sing". Also: Haltet die Klappe und singt! Die unbedarfte Äusserung der Leadsängerin der Dixie Chicks in der Londoner Music-Hall Sheperd's Bush Empire löste 2003 eine Lawine der Entrüstung und des Hasses aus. Der flapsige Seitenhieb von Natalie Maines ("We're ashamed that the President of the United States is from Texas"), von einer Agentur auch in den USA verbreitet, wurde zum Fanal einer Hetzkampagne. Rabiate Geister riefen zu CD-Zerstörungsaktionen, Boykottierungen und Brandmarkungen auf. Andere hätten die Country-Ladies Natalie Maines, Martie Maguire (ehemals Erwin) und Emily Robinson (Erwin) wohl am liebsten als Hexen, die das Land beschmutzt und verraten hatten, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Südstaaten-Hühner (wörtlich für Dixie Chicks) waren 2003 die erfolgreichste US-Frauen-Countryband. Nun stürzten sie ins Bodenlose. CDs wurden öffentlich vernichtet. Radiostationen boykottierten ihre Songs. Der Plattenverkauf kam schier zum Erliegen.

Die Unsicherheit bei den Musikerinnen war gross. Sängerin Natalie entschuldigte sich für ihre Äusserung. Das nutzte freilich nichts. Das Dixie-Trio, Natalie und die beiden Schwestern Martie und Emily, rückten näher zusammen. Der Stern des Präsidenten sank, der Irak-Krieg wurde als perfide Lüge entlarvt. Die Dixie Chicks bekräftigten letztlich ihre kritische Haltung und lagen richtig. 2006 wiederholte Natalie ihren "skandalösen" Spruch an gleicher Stelle in London, diesmal im Brustton der Überzeugung.

Drei Jahre lang (2003 bis 2006) haben die Filmerinnen Barbara Kopple ("Harlan County USA") und Cecilia Peck ("Once Upon a Time in the Hamptons") die angefeindete Band und ihre Familien begleitet - von Arenen (Super Bowl) und Konzertbühnen bis in die Privaträume, bis ins Spital (Ultraschall im Gebärzimmer). So entstand ein stark emotional gefärbtes Zeitdokument, das eindeutig Sympathie für das angefeindete Texas-Trio bekundet. Dabei werden verschiedene Aspekte ins Bild gerückt: Einerseits die öffentliche Meinungsmache und ihre Folgen sowie das knallharte Musikbusiness, andererseits die Entwicklung von Persönlichkeiten im Rampenlicht.

Eine derartig massive Kampagne kann Karrieren hemmen, ja zerstören. Die Dixie Chicks hatten anfänglich überlegt, ob sie aus geschäftlichen Gründen klein beigeben sollten und sie machten einen halbherzigen Rückzieher. Dann besannen sich die Musikerinnen auf sich selbst und standen zu ihrer Haltung. Das lohnte sich - sowohl hinsichtlich ihres Images als aus kommerziell. Das zeigt der Film zwischen den Bildern, die geschickt verschiedene Zeiten und Ebenen (öffentliche und private) verknüpfen. Das intime Dixie-Chicks-Porträt erweist sich als Sympathie-Zeugnis, aber auch als beherztes Dokument über Erfolg, Verletztheit, Reife, Solidarität, Business und Zeitgeist.

25.05.2021

4

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film gut.


tombern

vor 16 Jahren

Toller Film der anderen Art. Zeigt doch schön auf, worab man sich auch aufhalten kann... und wieso sollte man sich nicht schämen für einen solchen Präsidenten?!!


chrisdiva

vor 16 Jahren

Ich fand den Film wirklich toll. Ich hatte auch nicht den Eidruck, dass hinter der ganzen Sache Kalkül steckt. Die drei Mädels der Dixie Chicks kamen für mich alle als sehr offen und ehrlich rüber. Nathalie, die das ganze ausgelöst hat, hat halt einfach eine grosse Klappe. Und zwar nicht nur, wenn es um Bush geht, sondern grundsätzlich, wie man im Film sieht.
Und zu der Unterstellung, die Dixie Chicks hätte das aus Berechnung gemacht, um noch mehr CDs zu verkaufen: Gerade zu dem Zeitpunkt, als sie die Aussage gemacht haben, hatten sie das nun wirklich nicht nötig. Sie waren damals (und sind es glaube ich immer noch) immerhin die Girlgroup, mit den am meisten verkauften CDs (zumindest in den USA, also dem grössten englischsprachigen Markt).
Sie waren vielmehr ihrer Zeit voraus und haben ihre Meinung geäussert, als sie noch in der Minderheit ware. Seither hat die Meinung umgeschlagen und ma macht sich mit bushkritischen Äusserungen ja sogar schon beliebt.
Und zum Schluss noch dies: ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Leute, die man im Film über die Dixie Chicks herziehe sieht, nicht mal mehr wüssten (oder es gar nie wussten), was Nathalie überhaupt gesagt hat.....Mehr anzeigen


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