Pingpong Deutschland 2006 – 89min.

Filmkritik

Pubertät und Trauerarbeit

Filmkritik: Irene Genhart

"Pingpong", der erste lange Spielfilm von Matthias Luthardt, erzählt eine - ziemlich spröde aber gleichwohl feinfühlige - Coming-of-age-Story aus der deutschen Provinz.

Er könne jederzeit zu ihnen kommen, hat Onkel Stefan an der Beerdigung seines Bruders seinem 16-jährigen Neffen Paul gesagt. Das war im Grunde bloss eine nette Floskel. Paul jedoch nimmt Stefan beim Wort und steht eines heiteren Sommertages unangemeldet vor dem Häuschen seiner Verwandten. Der Empfang, den diese Paul bereiten, ist nicht sonderlich warm. Zwar räumt Onkel Stefan breitwillig sein Arbeitszimmer. Tante Anna aber fragt in der erste Stunde schon, wann Paul wieder abreise und Cousin Robert nimmt Paul vorerst einfach kaum wahr. Ist das erste Befremden vorbei, rauft man sich vorerst mal zusammen.

Stefan fährt zur Arbeit. Robert übt für die Aufnahmeprüfung an die Musikhochschule. Anna führt den Haushalt und Paul repariert den kaputten Swimmingpool. Die Cousins spielen zwischen Frühstück und Abendbrot ab und zu eine Partie Pingpong und freunden sich langsam an, ja sogar Anna und Paul kommen sich auf langen Spaziergängen mit Hund Schubert allmählich näher. Kurze Zeit scheint sich eine heitere Idylle anzubahnen. Doch immer häufiger trüben falsche Töne das schöne Bild. Anna, die als ausgebildete Pianistin ihrem Sohn mehr Lehrerin denn Mutter ist, kritisiert Roberts Klavierspiel immer heftiger und beginnt gleichzeitig Paul schöne Augen zu machen. Als Stefan dann auch noch geschäftehalber für ein Paar Tage verreist, eskaliert die Situation.

In sattem Sommerwaldgrün sowie den Farben Grau, Blau und Braun und mit bewegter Kamera liess Matthias Luthardt seinen ersten Spielfilm filmen und seziert darin in ruhigem Tempo und verhalten-lustvoll die Pseudoharmonie einer deutschen Mittelstandsfamilie. Die Stimmung seines Filmes ist gedämpft sommerlich; ganz in Haus, Garten und anschliessendem Wald gedreht, hat "Pingpong" aber auch etwas Kammerspielartig Enges an sich.

Mehrfach preisgekrönt - unter anderem mit einem Drehbuchpreis in Cannes - führt "Pingpong" in der Hauptrolle einen grossartig verletzlichen Sebastian Urzendowsky vor. Ihm zur Seite steht, in der Rolle der sich vor den Augen des eigenen Sohnes an ihrem Neffen vergehenden Mittvierzigerin, eine burschikos-sinnliche Marion Mitterhammer.

Erzählerisch dicht, ästhetisch schlicht und subtil gesellschaftskritisch ist "Pingpong". Ein solides Regiedebüt, in dessen stärkster Szene Paul Robert beim Zelten erzählt, wie er seinen toten Vater fand, und an dessen Ende Paul sich an seiner Tante auf eine wohltuend perfide und gleichwohl schockierende Art rächt.







19.02.2021

4

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