Herzen Frankreich, Italien 2006 – 126min.

Filmkritik

Gemeinsam einsam ab 40

Filmkritik: Eduard Ulrich

Altmeister Alain Resnais inszeniert ein etwas gekünsteltes Kammerspiel um sieben Figuren ab 40, denen in ihren verschiedenartigen Beziehungen die menschliche Wärme verlorengegangen ist.

Die erste Einstellung hat symbolische Bedeutung: Ein merkwürdiges, silbriges Objekt scheint da durch den Nebel zu schweben, einem UFO gleich gleitet es durch die Schneeflocken. Als sich der Blick weitet und klärt, erkennt man, dass sich nur die Kamera bewegt hat. Paris bei trübem Wetter, eine Bewegung, die eigentlich Stillstand ist, und keine Perspektive - so fühlen sich wohl die drei Frauen und drei Männer, alle über 40, manche über 50 und eine siebte Person, ein Greis in einer unsichtbaren Sprechrolle. Sie bilden unterschiedliche Paare: zukünftiges Ehepaar, angehendes Liebespaar, Geschwisterpaar, Arbeitsgemeinschaft, Gesprächspartnerschaft. Alle sind sie gemeinsam einsam, suchen mit Hilfe einer anderen Person einen Ausweg aus ihrem tristen Alltag.

Da ist das seit langem verlobte Paar, das der Trennung näher als der Hochzeit steht. Er ist vor kurzem unehrenhaft aus der Armee entlassen worden, findet keine Arbeit und sich im zivilen Leben überhaupt nicht zurecht, klammert sich an inzwischen bedeutungslose Statussymbole. Er stellt sich auch sonst ziemlich blöd an, was man von jemandem, der freiwillig beim Militär arbeitete, natürlich nicht anders erwarten kann, aber selten wird es so deutlich gezeigt. Seine Verlobte möchte die beengten Verhältnisse in ihrer 1-Zimmer-Wohnung durch einen Umzug in einer grössere Wohnung entschärfen, erfährt aber mehr Behinderung als Unterstützung von ihrem Partner, der lieber in einer Hotelbar herumhängt als Wohnungsbesichtigungstermine einzuhalten. Sowohl der Wohnungsmakler, seine Schwester und seine Arbeitskollegin als auch der Barkeeper mit seinem pflegebedürftigen Vater gehören zur Riege der einsamen Herzen, die in verschiedenen Kombinationen und aus verschiedenen Gründen immer wieder an denselben vier Orten zusammentreffen - aufgelockert nur von den kurzen Wohnungsbesichtigungen.

Der französische Altmeister Alain Resnais drehte diesen Film nach dem Theaterstück "Private Fears in Public Places" des englischen Dramatikers Ayckbourn Alan im Alter von 84 Jahren und setzte die filmischen Mittel sparsam ein. Von wenigen Szenen abgesehen, filmt er mit wenigen Einstellungen und erzeugt damit die Atmosphäre eines Theaterbesuchs. Die Dialoge sind von einer Art, die man auch eher im Theater als im Leben hört. Da wundert man sich nicht, wenn die Schauspieler eher steif und gekünstelt als natürlich agieren. Und obwohl die Geschichte offenbar in der heutigen Zeit angesiedelt ist, so sind doch die Insignien des modernen Lebens in unserer technischen Zivilisation eher verbal als physisch präsent. Richtig warm wird man nicht bei diesen Bildern der Erstarrung und der menschlichen Kühle, die einmal sogar mit Schneefall im Zimmer verüberdeutlicht wird.

25.05.2021

2.5

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Es ist ein Winterfilm. Nicht nur weil zwischen den Szenen immer wieder heftiger Schneefall zu sehen ist, der am Ende auch optisch die Figuren direkt einhüllt, sondern innerhalb der Beziehung der sechs Personen herrscht Eiszeit. Alle stoßen in ihren Lebensverhältnissen an ihre Grenzen, sind mehr oder weniger unzufrieden und wollen ausbrechen. Versuchen einen Neuanfang. Die Schauspieler sind durchaus glaubwürdig und die Dialoge rangieren stets haarscharf an der Realität und analysieren die Situation der Betroffeneren. Resnais hat einen genial unaufdringlichen Film geschaffen, der bei aller menschlichen Tragik immer noch Platz für leise Ironie hat. Er überzeugt aus einer gewissen inneren Tiefe heraus. Man bleibt mit Interesse dabei und bemerkt gar nicht, wie die Zeit verfliegt. Ja der Altmeister kann’s halt immer noch.Mehr anzeigen


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