Borat USA 2006 – 82min.

Filmkritik

Wenn Humor schmerzhaft wird

Filmkritik: Jürg Tschirren

Borats kulturelle Lernung von Amerika um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen. Humor tut wieder weh - endlich!

Ich habe in den ersten zehn Minuten von "Borat" wohl mehr gelacht und mehr Leute lachen hören, als in allen anderen Kinobesuchen dieses Jahres zusammen. Der Film, ein Mockumentary, beginnt mit Borat Sagdiyev in seinem Heimatort Kuczek, Kasachstan. Stolz stellt er uns seine Schwester vor (immerhin die viertbeste Prostituierte des Landes), seine Mutter, den Nachbarn und den örtlichen Vergewaltiger - "Naughty, naughty!"

Auch lokale Bräuche kommen nicht zu kurz. Borat zeigt Aufnahmen des jährlichen "Running of the Jew", wenn ein Mann und eine Frau mit riesigen Köpfen aus Pappmaché - Hakennasen und Teufelshörner inklusive - Dorfbewohner durch die Strassen jagen. Die Frauenfigur setzt sich, um ein Ei zu legen; Kinder stürzen sich darauf und Borat kommentiert: "Sehr gut, Kinder! Zerstört das Juden-Ei, bevor es ausschlüpft!"

Warum ist das lustig? Weil Borat die Absurdität von Antisemitismus zeigt, indem er ihn in seiner absurdesten, aber immer noch möglichen Form inszeniert. In Kasachstan und später im Westen, denn der Reporter wird von seinem Präsidenten in die "US und A" geschickt. Zur "kulturellen Lernung von Amerika um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen", wie der Untertitel des Films erklärt. Borat unternimmt die Reise zusammen mit seinem Produzenten Azmat (Ken Davitian) und einem Glas voll Zigeunertränen, die ihn gegen Aids schützen.

Nun sind die USA nicht nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch der absurdesten Social Codes und bizarrsten Vorurteile. Und Borat, der ja eigentlich Sacha Baron Cohen heisst, eine Dissertation über afroamerikanisch-jüdische Beziehungen geschrieben hat und in einem früheren Leben ein Homeboy namens Ali G war, versteht sie wie kein zweiter satirisch nutzbar zu machen. Als Ehrengast eines Rodeos in Virginia erklärt er, Kasachstan unterstütze den "War of Terror" der USA und ruft ins Mikrophon: "Möge Präsident George Walter Bush das Blut aller Männer, Frauen und Kinder des Irak trinken!" Darauf erhält er tosenden Beifall.

Am selben Rodeo begeht Borat den Fehler, die kasachische Nationalhymne ("Kasachstan ist das beste Land der Welt / Alle anderen Länder werden von kleinen Mädchen regiert") zur Melodie von "Star Spangled Banner" zu singen. Die Menge brüllt und pfeift, ein Pferd fällt um. Später, so informiert das Presseheft, wollten aufgebrachte Rodeo-Helfer das Filmteam lynchen.

Auch andere Hintergrundinformationen zum Film lesen sich für einmal recht interessant. Gedreht wurde mit einer Crew von nur acht Personen, inklusive Cohen (Regisseur war "Seinfeld"-Veteran Larry Charles). Der Hit-and-Run-Stil des Drehs führte zu einigen Problemen mit dem Gesetz; es gab Verhaftungen, das FBI beschattete die Filmemacher, weil sie von Anwohnern für Terroristen gehalten wurden. Aus der Presse weiss man ausserdem, dass Borat/Cohen der Zugang zum Weissen Haus versagt wurde, als er George Walter Bush zur Premiere des Films einladen wollte.

"Borat" ist Humor mit Konsequenzen, Humor, der wehtut. Das erinnert an "Jackass", mit dem "Borat" die Bildästhetik und den Ursprung als Fernsehformat teilt. Nur geht es bei "Borat" weniger um körperliche Wagnisse, sondern um soziale - Social-Jackass sozusagen, wenn Borat sich bei Interviews oder Dinner-Partys entgegen alle Normen und (ungeschriebene) Regeln verhält. Im Gegensatz zu "Jackass" resultiert daraus nicht nur ein humoristischer Mehrwert, die entlarvenden Reaktionen von Borats Gesprächspartnern sind auch aufklärerischer Natur. Beispiel: Borat: "Wie schnell ich muss fahren, um mit diese Auto Gruppe von Zigeuner überfahren?" Autohändler: "Ich schätze so 55 bis 60 Meilen in der Stunde." Anderes Beispiel: Borat: "Welche Waffe ich brauche um gegen Juden zu schiessen?" Waffenhändler: "Am besten eine 9 Millimeter. Oder einen Colt .45." - Ich hoffe, der Film gewinnt neben dem Oscar noch den Friedensnobelpreis.

14.11.2019

5

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Kommentare

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dulik

vor 6 Jahren

Ein hervorragend aufspielender Sacha Baron Cohen macht diese Komödie zum Hochgenuss. "Borat" ist schwarzer Humor pur und spielt herrlich mit zahlreichen Vorurteilen. Ideal wenn man es wieder einmal nötig hat, so richtig herzhaft zu lachen. Es wäre allerdings im Verlauf des Films interessant zu wissen gewesen, ob und welche Szenen tatsächlich mit ahnungslosen Passanten durchgeführt wurden.
8/10Mehr anzeigen


Mikelking

vor 9 Jahren

Einige Szenen sind lustig, einige aber auch etwas zu blöd...


behar22

vor 10 Jahren

Satire und Komödie vom feinsten. Absolut sehenswert.


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