Zizek! Kanada, USA 2005 – 71min.

Filmkritik

King of Kulturtheorie

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Gibt es ein filmisch undankbareres Sujet für das Kino als einen Philosophen, der vor der Kamera Abstrakta zum Besten gibt?

Und tatsächlich diktiert Slavoj Zizek fast die gesamte Filmlänge in seinem unnachahmlichen Akzent samt High-Speed-Sprachduktus atemlos Anekdoten und Paradoxa in die Kamera. Ein Philosoph aber ist Zizek nicht wirklich, auch wenn seine Ausführungen von Hegel zu Hitchcock und von Leichen über Lenin und Lynch zu Lacans Leerstellen führen. Der Slowene, der sich gerne auch mal als "Elvis der Kulturtheorie" titulieren lässt, ist vielmehr eine Art hippes "Enfant terrible" der akademischen Philosophie.

Das Doku-Porträt von Astra Taylor inszeniert genau diesen Aspekt, Zizek als Popstar: Vorlesungen in Buenos Aires, öffentliche Auftritte in New York und schließlich eine Art "Homestory" in seiner Heimatstadt Ljubljana, wo Zizek das eigentümliche Ordnungssystem in seiner Wohnung erläutert, auch schon mal nackt im Bett liegend doziert und in Lieblingscafés Psychoanalyse und Populärkultur leidenschaftlich diskutiert.

Was aber macht Zizek und seine Wirkung auf Zuhörer aus, wenn er denn kein "echter Philosoph" ist? Sein bekanntestes Werk neben "Was Sie immer schon über Lacan wissen wollten und Hitchcock nie zu fragen wagten" trägt den Namen "Liebe Dein Symptom wie Dich selbst" - übrigens auch der Titel einer filmischen Zizek-Doku aus dem Jahr 1997 von Claudia Wilke. Ist Zizek am Ende selbst ein Symptom, ein "zweideutiges Zeichen, das auf einen verborgenen Inhalt hinweist", um es mit seinen Worten zu sagen? Was, wenn Zizeks Erfolg vor Zuhörerscharen, die die Thesen Lacans weder nachvollziehen können noch wollen, wenn sein zunehmender Celibrity- und Kult-Status ein Anzeichen ist für ein wachsendes kollektives Unbehagen in der (globalisierten, kapitalistischen) Kultur?

Solche Fragen stellt die Filmemacherin leider nicht, vielmehr scheint sie dem Sendungsbewusstsein eines rhetorisch gewandten Radical-Chic-Clowns auf den Leim zu gehen. Den Redefluss bändigen sollen formale Kunstgriffe, wie eine Gliederung in Kapitel, deren Titel der "Meister" von Hand notiert, das beständige Einfügen sich verändernder Texttafeln, und von vereinzelt interessantem Archivmaterial, wie etwa einem Talk-Show-Auszug aus der Zeit von Zizeks kurzem Ausflug in die Realpolitik seines Heimatlandes.

Das insgesamt eher aufgesetzt wirkende visuelle Konzept, das zudem passagenweise durch eine dem Protagonisten vergleichbar hyperaktive Montage geprägt wird, täuscht nicht darüber hinweg, dass 71 Minuten für diesen "Talking Head" zu lang sind. Für Zizek-Fans allerdings bietet dieses Porträt bei allen Längen einige wertvolle Einblicke, die die Redeflut gelegentlich ganz unverhofft durchbrechen und für wahrhaft besondere Momente sorgen.

05.07.2007

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