CH.FILM

White Terror Finnland, Frankreich, Deutschland, Schweiz 2005 – 90min.

Filmkritik

30 Prozent

Filmkritik: Jürg Tschirren

Im abschliessenden Teil seiner Doku-Trilogie zum Rechtsextremismus besucht Daniel Schweizer Aktivisten in Schweden, den USA und Russland. Es ist eine reichlich unsystematische Bestandesaufnahme der Szene geworden, die den Eindruck vermittelt, rassistisches Denken finde nur an den Rändern der Gesellschaft statt.

In der Woche der Zürcher Pressevorführung von "White Terror" gab es eine bemerkenswerte Zeitungsmeldung zu lesen. Eine Umfrage der französischen Nationalen Kommission für Menschenrechte hatte ergeben, dass sich rund 30 Prozent der Menschen in Frankreich selbst für rassistisch halten. Frankreich ist nicht die Schweiz, doch es gibt wenig Grund, weshalb sich diese Zahlen nicht ungefähr auf unser Land übertragen liessen. 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung, das sind über zwei Millionen Menschen. Von dieser Masse ist in Daniel Schweizers Dokumentarfilm nichts zu sehen. Aber viele der Leute werden im Publikum sitzen, wenn der Film über die Leinwand läuft. Und sie werden den Kinosaal verlassen, bestärkt im Gedanken, dass rechtes Denken nur das Problem von ein paar Spinnern am Rand der Gesellschaft ist.

Zum Beispiel im Berner Oberland, wo 2001 drei Rechtsextreme den 19-jährigen Marcel von Allmen ermordeten. Opfer und Täter gehörten zum "Orden der arischen Ritter", den sie zur Abwehr von Asylbewerbern aus dem Balkan gegründet hatten. Daniel Schweizer macht diesen Mord zum Ausgangspunkt von "White Terror" - es geht ihm um die Frage, weshalb die jungen Männer zu "Arischen Rittern" wurden. Wer jetzt auf eine Studie über Berner Oberländer Alltagsrassismus und seine extremen Konsequenzen hofft, wird enttäuscht. Schweizer hält sich nicht mit komplexen Erklärungsmustern auf, für ihn waren es "neonazistische Netzwerke", die "über eine Achse Europa-USA-Russland" das Denken der Jungen prägten. Ein skandinavisches Skinheadvideo aus von Allmens Nachlass dient ihm als Beweis.

Die darauf folgende Reise zu rechtsextremen Gruppen und Grüppchen in Schweden, den USA und Russland scheint reichlich zufällig und unsystematisch. Sie lässt sich immerhin organisatorisch und dramaturgisch erklären. Kontakte zu Rechtsextremisten der verschiedenen Länder hatte der Regisseur bei seinen Vorgänger-Filmen "Skin or Die" und "Skinhead Attitude" knüpfen können. Und grimmig blickende Skinheads oder paranoide Nazi-Südstaatler lassen sich vor der Kamera einfach effektvoller inszenieren als die vielschichtigen Ursachen rechtsextremen Denkens.

So sehr "White Terror" den formalen Ansprüchen eines Dokumentarfilms genügt - und der Regisseur versteht zweifelsohne sein Handwerk - so wenig hilfreich ist er im Kampf gegen den Rassismus und Rechtsextremismus. Schweizers Portrait von Schlägern, Spinnern und Kriminellen in aller Welt mag zuweilen interessant sein, aber es tut nichts gegen den Rassismus in den Köpfen seiner Zuschauer - im Gegenteil, es bietet ihm ein Ruhekissen.

07.03.2022

2.5

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Kommentare

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seanpershing

vor 17 Jahren

Die Neonazis in Daniel Schweizers Dok sind zum grössten Teil etwas retardiert wirkende Fortschrittsverlierer, die in ihren improvisierten Führerbunkern an der Vorbereitung zum Endkampf der weissen Rasse werklen und sich zu dem Zweck in Form von miserabel gemachten Websites und DVDs ausbreiten. Ausser in Russland, wo die gezeigten Gruppierungen wirklich bedrohlich wirken.
Daniel Schweizer nervt mit gestellten 'Recherche Situationen', wir sehen den Filmer x-mal, heftig in sein keyboard tippend, an seinem mit 'schockierendem' Propagandamaterial vollgestellten Arbeitstisch. Die Antwort auf die Frage, was junge Männer dazu bringt, ihre Frustration mit dem Zitieren von 70-jährigen, menschenverachtenden Propagandaslogans auszudrücken, bleibt uns der Autor aber weitgehend schuldig. Auch wenn sie gerade im Bezug auf die wachsende Szene im liberalen Schweden interessant wäre.Mehr anzeigen


telendos

vor 17 Jahren

Es geht im Film nicht um Rassismus, sondern um die organisierten internationale Neonazi-Szene. Wieso man bei so einem engagierten Film meckern muss, verstehe ich überhaupt nicht. Diesen Film werden sich sowieso nur ein paar überzeugte Antirassisten anschauen.


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