U-Carmen Südafrika 2005 – 120min.

Filmkritik

Die wilde schwarze Carmen

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Erstmals wurde Georges Bizets weltberühmte Oper "Carmen" in eine afrikanische Sprache übersetzt. Der Brite Mark Dornford-May hat die Handlung ins Township Khayelitsha bei Kapstadt verlegt. Seine schwarze Carmen wurde am Berliner Filmfestival 2005 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet.

Das populäre Liebes- und Eifersuchtsdrama "Carmen" von Georges Bizet, im März 1875 in Paris uraufgeführt, ist eine universelle Oper. Sie wurde oftmals verfilmt - von Ernst Lubitsch (1918) als Stummfilm (!) und von Otto Preminger (1954), von Jean-Luc Godard (1983), Carlos Saura (1983) oder Francesco Rosi (1984). Ursprünglich im Armenviertel von Sevilla angesiedelt, spielt sich Mark Dornford-Mays moderne Version in einem südafrikanischen Township bei Kapstadt ab. Äussserlich hat die schwarze Carmen (Pauline Malefane) nichts mit der feurigen spanischen Zigeunerin in Bizets Original zu tun. Soziales Umfeld, Szenerie und Sprache sind neu: So wurde diese Oper noch nie gesungen und gesehen.

Das macht Dornford-Mays Zweistundenfilm einmalig, aber auch gewöhnungsbedürftig. Eingefleischte Opernfans kommen nicht unbedingt auf ihre Rechnung. Die ewige Geschichte von Begehren und Betrug, Liebe und Lust und Verlust, von Leidenschaft, Gewalt und Eifersucht ist die gleiche. Doch der südafrikanische Dialekt Xhosa, eine der elf offiziellen Landessprachen Südafrikas, mit seinen Klick- und Schnalzlauten, verfremdet vieles.

Statt Zigeunerinnen agieren Arbeiterinnen in einer Zigarettenfabrik, statt Stierkampfarena-Atmosphäre südafrikanisches Township-Milieu: Carmen und alle anderen Beteiligten sind schwarz. Die Titelheldin lebt nach dem Lustprinzip, flirtet mit Polizisten, liebt, wen sie will, und sucht rigoros ihre Freiräume. Einen der Polizisten, Jongikhya (Andile Tshoni), bezirzt sie. Als sie wegen einer Messerstecherei verhaftet wird, lässt er sie laufen: Sie hatte ihm Liebe versprochen. Er folgt ihr, schliesst sich gar auf ihr Geheiss einer Schmugglerbande an. Doch sie wendet sich ab. Das mörderische Ende ist bekannt.

Die Geschichte dieses ungewöhnlichen Opern-Projekts ist, krass gesagt, im Grunde genommen spannender als die Verfilmung selbst: Die Rekrutierung des Ensembles, die Umsetzung der Oper, die Originalschauplätze, die Bühnenaufführungen der südafrikanischen Truppe Dimpho Di Kopane (Trupe verscheidener Talente).

Gleichwohl, die südadfrikanische Version, überwiegend mit der Handkamera im dokumentarischen Stil gedreht, hat Feuer und ist wirklichkeitsnah, leidenschaftlich, modern. Man akzeptiert Pauline Malefane, die Frau des Regisseurs, als dralles Weib, die stolz und rigoros ihre Weiblichkeit zur Schau trägt. Sie beherrscht die Szenerie. Dennoch fragt man sich, ob man Bizets Meisterwerk in ein schwarzes "Kostüm", in ein Township verpflanzen musste. Milieu und Sozialumfeld bleiben Kulisse, Bizets Oper wird zum nur bedingt sinnlichen Schaustück.

16.10.2020

3

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Kommentare

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tiefton

vor 18 Jahren

starke umsetzung von historischem stoff in neuer umgebung und aktueller zeit


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