Sommer vorm Balkon Deutschland 2005 – 112min.

Filmkritik

Wein, Tränen und Lebensweisheiten auf dem Balkon

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

Mit "Sommer vorm Balkon" ist Andreas Dresen ("Willenbrock", "Halbe Treppe") ein rundum wunderbarer Film voller Wärme und Humor gelungen, der augenzwinkernd auf die Lichtblicke in einer alltäglichen Misere weist.

Wenn die Dämmerung sich über Berlin legt, sieht man irgendwo in einem Quartier den obersten Balkon eines Hauses hell erleuchtet - eine kleine Oase über der Hektik der Strasse. Dieser mit Pflanzen und Lichtern geschmückte Balkon gehört Nike (Nadja Uhl), und jeden Abend steigt Katrin (Inka Friedrich) von ihrer Parterrewohnung die Treppe hoch, um mit ihrer Freundin Wein zu trinken, sich den Kummer von der Seele zu reden, zu diskutieren und zu lästern - über verpatzte Bewerbungsgespräche, ihren Ex-Mann und das Leben ganz allgemein.

Katrin ist langzeitarbeitslos, allein erziehend und ziemlich labil, während die jüngere Nike praktisch veranlagt ist und ihren Unterhalt mit der Pflege alter Menschen bestreitet. Beide jedoch träumen von einem Mann, der zu ihnen passt. Als ihnen eines Tages bei einem Beinahe-Unfall der Lastwagenfahrer Ronald (Andreas Schmidt) begegnet, glaubt Nike, ihr Glück gefunden zu haben. Ronald, so ist sie überzeugt, "macht als Mann alles richtig". Bald muss sie aber schmerzlich erkennen, dass es mit Tomatenpflanzen auf dem Balkon nicht getan ist. Und Katrin verstrickt sich zunehmend in ihr Unglück und den Alkohol.

"Sommer vorm Balkon" ist eine brillant gespielte Sozialkomödie und -tragödie zugleich, die ans Herz geht. Immer wenn das Tragische Überhand zu nehmen droht, schaffen leichtfüssige Musik, neckische Einstellungen und komische Szenen einen Ausgleich. Vor allem aber glänzt der Film durch die Dialoge und das unterschiedliche Gesprächsverhalten der Figuren: Träge, wortkarg und unbeholfen etwa ist Ronald - demgegenüber sagt die schlagfertige Nike ihrem Gegenüber schon mal unverblümt, aber höflich ins Gesicht, was Sache ist: "Meinst du eigentlich, weil bei dir sexuell was läuft, kannst du dich wie ein Arsch benehmen?" Bald trocken, bald spitz sind die Äusserungen - die Lebensweisheiten der beiden Protagonistinnen aber fast berührend in ihrer Einfachheit. Der bis in Mimik und Gestik realistische Schauspielstil vermag ausserdem zu packen: Katrins Gesicht etwa, ihre fahrigen Bewegungen, die zitternde Stimme beim Probevorstellungsgespräch nehmen einen gleich zu Beginn gefangen.

Obgleich die beiden Freundinnen im Zentrum stehen, werden Probleme und Sorgen von Menschen jeder Generation berücksichtigt - und dies geschieht mit bemerkenswertem Zartgefühl. Da ist etwa der einsame Apotheker oder Katrins Sohn, der gerade seinen ersten Liebeskummer erlebt - vor allem aber die alten Leute, die Nike täglich besucht: Helene, die Akkordeon spielt und es mag, wenn Nike ihr Liebesromane vorliest, der bettlägerige Mann, der davon überzeugt ist, dass er zur Schule gehen muss oder Oskar, der jeden Morgen seinen Kaffee nicht findet. Dabei ist es erstaunlich, wie es Dresen gelingt, seine Figuren mit Humor zu betrachten, ohne sie jemals der Lächerlichkeit preiszugeben.

18.05.2021

5

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 18 Jahren

nachem erschte mau hani dr fium nid würk guet gfunge... am afang giz zwar viu z lache wos aber när dramatisch wird, hanis völlig unpassend füre fium gfunge... wonine aber ds zwöite mau gluegt ha, hanimi när nümm ab däm teu gstört und iz würdi dr fium witer empfälä....


climber04

vor 18 Jahren

Endlich mal wieder ein klasse Film. Kurz: eine ach so wahre Komödie über das Leben und nichts anderes als über das und aus dem Leben! Zu den super Bildern (übrigens hervorragend gefilmt) kommt natürlich noch der hervorragende Soundtrack mit vielen lustigen und fröhlichen Schlagern hinzu. So hat der Samstagabend im Kino echt Spass gemacht.Mehr anzeigen


struessel

vor 18 Jahren

Herzerwärmend! Man stolpert in das Leben zweier Freundin und kann sie etwas im Alltag begleiten. Die Tragik wird immer wieder elegant und passend durch die Komik aufgefangen - ohne dass eines von beiden je kitschig würde. Überraschende Einstellungen, rassante und witzige Dialoge und eine überzeugende schauspielerische Leistung - vorab der beiden Protagonistinnen. Am meisten Spass macht der Film wohl, wenn man mit der besten Freundin hingeht; -)Mehr anzeigen


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