Free Zone Belgien, Frankreich, Israel, Spanien 2005 – 95min.

Filmkritik

Time out für den Krieg

Beatrice Minger
Filmkritik: Beatrice Minger

Die "Free Zone" ist zum einen eine freie Handelszone für gebrauchte Autos, zwischen Jordanien und dem Irak, und gleichzeitig ein erzählerischer Ort in Amos Gitaïs neuem Film, an dem der Krieg Pause hat.

Die erste Einstellung zeigt minutenlang eine weinende Rebecca (Natalie Portman). Sie sitzt auf dem Rücksitz eines Autos und schaut aus dem Fenster. Einmal lässt sie das Fenster herunter, draussen ist es regnerisch und trüb, doch mehr kann man nicht erkennen. Auf der Tonspur läuft ein hebräisches Lied, mit einem symbolischen Text, der von der Eskalation von Gewalt handelt. Zusammen mit den Bildern der aufgelösten Rebecca purzeln die Assoziationen des westlichen Zuschauers und der Stempel eines Plots über politische Attentate im Nahost-Konflikt ist schnell aufgedrückt. Doch Amos Gitaï führt den Zuschauer an der Nase herum, denn es kommt anders.

Wie schon in seinen früheren Filmen "Kadosh" oder "Promised Land" macht er Frauen zu den Hauptfiguren seiner Erzählung. Gitaï wählt drei Protagonistinnen von brisant unterschiedlicher Abstammung: Rebecca eine Amerikanerin, Hanna eine Israeli (Hana Laszlo - die für ihre schauspielerische Leistung den Preis der besten Darstellerin in Cannes 2005 bekam) und Leila (Hiam Abbass), eine Araberin. Anders als in den ersten fünf Minuten eingeleitet, erzählt der Film eine Geschichte der Nebenschauplätze. Der Plot ist auf den ersten Blick relativ unspektakulär. Er handelt von Frauen, die sich trotz aller ethnisch konfliktgeladenen Unterschiede zusammenraufen, um ein pragmatisches Ziel zu erreichen: das wirtschaftliche Überleben.

Interessant und vielschichtig zeigt sich jedoch die Umsetzung der Erzählung: In keinem Moment des Roadmovies sind touristische Bilder von Jerusalem oder Jordanien zu sehen, noch gibt es Bilder von Autobomben oder anderen Attentaten. Die einzige Explosion, die stattfindet, ereignet sich in der Autowerkstatt von Hannas Mann, weil dieser nicht vorsichtig genug mit Gas umgegangen ist. Erneut drängen sich die Assoziationen auf und machen eines deutlich: Der Krieg ist anwesend, auch wenn er nicht gezeigt wird. Er ist fester Bestandteil des alltäglichen Lebens im Nahen Osten und doch ist er nicht die Hauptattraktion. Amos Gitaï lässt den Krieg zur Nebenhandlung werden ohne ihn zu verdrängen. Er baut ihn ein in Gespräche, spielt ihn via Nachrichtensendung im Radio, macht ihn spürbar in der angespannten Atmosphäre beim Überqueren der Grenzen und im Umgang der Menschen untereinander, die sich vornehmlich mit Vorsicht und Misstrauen begegnen.

Gitaï erzeugt eine Gleichzeitigkeit und Gleichberechtigung eines latent vorhandenen Krieges und des Rechts auf Alltag, aufgezeigt an diesem Kuriosum der "Free Zone". Eine Gleichzeitigkeit, die Gitaï meisterlich auf der visuellen Ebene in Form von Überblendungen weiterführt, um anhand von Erinnerungen und Gedanken den Protagonistinnen eine Kontur und eine Geschichte zu geben. Diese Feinheiten der Erzählung, die sorgfältige Auswahl der Drehorte und die grossen schauspielerischen Leistungen machen den Film bei näherem Hinschauen zu einem vielschichtigen und wertvollen Zeitdokument.

29.08.2023

4

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