Die Reise der Pinguine Frankreich 2005 – 86min.

Filmkritik

Sex in der City, Romantik in der Antarktis

Filmkritik: Andrea Bleuler

Ein Jahreszyklus im Leben der Kaiserpinguine, in spektakulären Bildern festgehalten. Der Dokumentarfilm des zum Filmmacher mutierten Zoologen Luc Jacquet hat mit einem Sommerstart in den ersten 3 Monaten sensationelle 68 Millionen Dollar eingespielt. Ist die Menschheit reif für das ewige Eis?

Das Paarungsritual der Kaiserpinguine - ein Spektakel, dass sich alljährlich vor dem Hintergrund einer landschaftlichen Dramatik zuträgt, mit der selbst die Kulisse von "Lord of the Rings" nicht mithalten kann.

Wie auf ein Zeichen hin setzt sich die gesamte Artgenossenschaft der Pinguine in Einerreihe in Bewegung. Weg von dem ihnen angenehmen Meer, in dem sie sich leicht bewegen können, in Richtung Brutplatz, irgendwo im Schutz des antarktischen Gebirges. Auf dem Eis sind die Tiere zwar ungelenk, verletzlich und widrigsten Bedingungen ausgesetzt, doch ihre Lebenstauglichkeit kann das Menschengeschlecht vor Neid erblassen lassen.

Atemberaubende Bilder erzählen von jenen Momenten, die die Fiktion liebt: Liebe, Romantik, Existenzängste, Abenteuer.

Die Wanderung zur Brutstätte bringt die Pinguine in höchste Gefahr. Die Suche und das Werben um den Partner, mit dem sie, bis der Nachwuchs erwachsen ist, zusammen bleiben und sich auch die Aufzucht salomonisch teilen, ist eine Augenweide. Und die Tatsache, dass sie bis ans Äusserste ihrer Kräfte gehen, um ihre Kleinfamilie vor Hunger, Kälte und anderen Feinden zu retten, lässt jeden Muskelprotz aus der Filmgeschichte weinerlich aussehen.

Doch Regisseur Luc Jacquet will noch mehr Rahm auf der Torte haben und schmückt das Drama narrativ aus: Im Voice-Over erhalten Mama, Papa und Kind gar menschliche Stimmen. Emilie Simon, eine junge französische Musikerin in den Fussstapfen von Björk, dekoriert weiter aus mit ihrer Kleinmädchenstimme, aber auch mit einem raffinierten Konstrukt von elektronischen und natürlichen Sounds.

Man mag diese Verzierung, oder eben nicht. In der sehr erfolgreichen US-Version hat man auf diese Elemente verzichtet und - man höre und staune - eine "objektivere" Version bevorzugt. Jacquet hat sich von der Wissenschaftlichkeit mit ganz offensichtlicher Leidenschaft abgewandt und unterlässt es in seinem Film auch vollständig, auf die bestehenden Gefahren für die Antarktis hinzuweisen.

Durch die Vermenschlichung gelingt es ihm hingegen, eine emotionale Bindung zu jenem wenig in unserem Bewusstsein verankerten Eis-Kontinent überhaupt zu begründen und eine Gleichgültigkeit dessen zukünftigen Schicksal gegenüber zu verunmöglichen.

07.03.2022

4.5

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Kommentare

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alex icon

vor 9 Jahren

Eine meiner lieblings Dokus.


mamama

vor 17 Jahren


geri62

vor 18 Jahren

Hervorragende, stil- und stimmungsvolle Aufnahmen. Etwas langatmig, aber trotzdem äusserst sehenswert.


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